Rede des schulpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Christian Fühner, zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG)

-Es gilt das gesprochene Wort-

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

rund 12.000 Erzieherinnen und Erzieher fehlen in Niedersachsen! Und wir merken es wie selten zuvor.
Zuvorderst: Eltern, die arbeiten müssen und keine Betreuung bekommen. Unternehmen, die jede Arbeitsstunde benötigen, deren Personal aber fehlt, weil die Kinderbetreuung nicht gewährleistet ist. Eine schwierige Lage für die Familien in diesem Land.

Erzieherinnen und Erzieher, die einer enormen Arbeitsbelastung ausgesetzt sind – die jeden Tag großartiges leisten. Ich will das hier mal betonen:

Es ist an der Zeit, dass wir unseren Erzieherinnen und Erzieher den Respekt und die Anerkennung geben, die sie verdienen. Für deren pädagogische Arbeit, viele intensive Elterngespräche, die Umsetzung des Bildungsauftrages, individuelle Förderung von Motorik, Sprache oder Kreativität.

Erzieherinnen und Erzieher sind die Architekten, die die Grundlagen für eine gute Entwicklung unserer Kinder legen.

Und schlussendlich geht es um die Kinder: Verschiedene Studien zeigen es sehr sehr deutlich, wie wichtig frühkindliche Bildung, mit hoher Qualität in den Kitas für die Entwicklung der Kinder ist.

Und während wir uns damit heute auseinandersetzen, ist es unumgänglich auch mal die Rolle der Ministerin Hamburg anzusprechen.

Frau Kultusministerin!

Es ist an der Zeit eine Politik zu gestalten. Während die Eltern verzweifelt sind, die Erzieherinnen und Erzieher enorme Belastungen auf sich nehmen, streiten sie sich mit den Kommunen und veranstalten Foren ohne eigene Lösungsansätze. Das reicht nicht. Sie müssen die Realitäten endlich mal anerkennen, denn in der realen Welt reichen leere Worte nicht Frau Ministerin.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich habe Ihnen zwei Beispiele aus der Realität mitgebracht.

  1. Realitätsbeispiel – die Stadt Osnabrück.

Der Mangel an Erzieherinnen und Erziehern ist mittlerweile so problematisch, dass Kindeswohlgefährdung in Kauf genommen wird. Es musste dem Jugendhilfeausschuss mitgeteilt werden:

Und ich zitiere aus der NEUEN OSNABRÜCK ZEITUNG:

„Das Jugendamt kann […] seiner gesetzlichen Aufgabe, den Kinderschutz zu gewährleisten, nicht mehr nachkommen“.

Was heißt konkret? Und das verdeutlicht die Dramatik:

Kinder, die unter häuslicher Gewalt leiden, oder unter den Alkohol- und Drogenkonsum der Eltern leiden könnten vom Jugendamt aus einer Familie genommen werden.

Doch es kommt vor, dass das nicht geht, weil es nirgendwo einen Platz für das Kind gibt. Gern würde die Stadt mehr Plätze in der Inobhutnahme schaffen, aber dafür fehlt das Personal.

Ein Zweites Beispiel:

Aus einer Kita, die ich vor einigen Wochen besucht habe.

Dort wollte man für die Vertretungszeiten und für die Randzeiten eine junge Mutter einstellen.

Ihre Qualifikationen:

Seit 5 Jahren Instrumentalpädagogin mit Berufserfahrung an einer Schule,

Abgeschlossenes Studium als Musiklehrerin im Ausland inkl. Berufserfahrung

Sowie die Teilnahme an der Weiterbildung mit dem Titel „Einführungskurs für Zusatzkräfte in Kindertagesstätten“

welche im Rahmen der Quick-Richtlinie angeboten worden sind. Wohlgemerkt: Hier geht es nicht um die Kernzeit, nicht darum die Bildungsarbeit zu ersetzen, sondern um die Vertretung, und Betreuungsunterstützung in den Randzeiten. Hier geht es, um den Wunsch der Leitung und des Trägers diese qualifizierte Person einsetzen zu dürfen. Und das Ergebnis auch nach Prüfung dieses Falls im Kultusministerium: Keine Chance! Qualifikation reicht nicht aus. Wofür die junge Frau eine Fortbildung gemacht hat, konnte ihr keiner erklären.

Folglich musste die Kita Betreuungszeiten kürzen und an einigen Tagen die Betreuung ausfallen lassen.

Nur zwei Beispiele, von vielen weiteren. Überall in Niedersachsen gibt es Menschen, die in der Kita tätig sein wollen, denen wir aber kein attraktives Angebot machen, wo wir zu unflexibel sind.

Sehr geehrte Damen und Herren,

und auch die dramatische Lage in Osnabrück ist kein Einzelfall und es wird noch schlimmer, wenn das Land nicht tätig wird.

Geben wir den TRÄGERN der Jugendhilfe, den örtlichen Jugendämtern auch die Gestaltungsspielräume. Die langwierigen Genehmigungen des Landesjugendamtes, die sind zu bürokratisch und dauern zu lange. Überall hören wir von dem Wunsch nach Vertrauen in die Strukturen vor Ort. Und auch deshalb wollen wir die Anzahl an Vertretungstagen auf 10 erhöhen – weil wir diese Flexibilität brauchen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

und dann erkläre ich Ihnen gerne nochmal, was wir beim Thema Ausbildung ändern wollen:

Wir wollen, dass jede Schülerin und jeder Schüler, der sich nach der Schule die Frage stellt, welche Ausbildung für ihn die richtige sein könnte, nicht vom Erzieherberuf abgehalten wird, weil er keine Ausbildungsvergütung bekommt.

Anrede, wir wollen ab dem 1. Monat in der Ausbildung eine echte Ausbildungsvergütung. Und wir haben uns die jetzige vollzeitschulische Ausbildung sehr genau angeschaut – die Vorgaben der Ausbildung und die gesetzlichen Anforderungen stimmen einfach nicht überein. Lassen Sie uns also endlich attraktive Rahmenbedingungen schaffen, mit Praxisanteilen, die in der jetzigen Ausbildung umsetzbar sind, ohne Qualitätsverlust, gleichzeitigem Einsatz in der Praxis und eine AUSBILDUNGSVERGÜTUNG.

Wissen Sie, was die Kommunen an der Grenze zu NRW gerade machen? Sie bilden ihre Erzieherinnen und Erzieher in NRW mit dem Modell PIA aus, also mit der praxisintegrierten Ausbildung und einer Ausbildungsvergütung.

Das zeigt auch deutlich, dass wir nachziehen müssen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Bertelsmann Stiftung hat die Betreuungssituation in den 16 Bundesländern beleuchtet. Das Fazit der Forscher ist ernüchternd: „Eine kindgerechte Personalausstattung und zugleich ausreichend Plätze in allen Kitas sind in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu realisieren. Aber sie sagen auch:

Der Mangel an Fachkräften sei überwindbar. „Darauf sollten sich ab sofort alle politischen Anstrengungen konzentrieren.“ Mittel sollten in erster Linie dafür verwendet werden, neue Fachkräfte zu gewinnen und zu qualifizieren.

Frau Kultusministerin Hamburg, darum geht es uns.

Im Februar haben wir Sie aufgefordert alle Beteiligten zu einem KITA Gipfel zusammen zu bringen und über Lösungen zu sprechen. Wir begrüßen sehr, dass Sie unserer Aufforderung und die der vielen Verbände u.a. der Landeselternvertretung oder des Kita Fachkräfteverbandes nach einem Kita Gipfel nachgekommen sind. Das ist aber kein Ergebnis, dass kann nur ein allererster Schritt gewesen sein. Jetzt brauchen wir Handlungsmut – Wir als CDU nehmen es aber nicht hin, dass die Regierung abwartet. Die Lage ist dafür zu ernst. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, jetzt zu handeln.

In die vergütete echte dualisierte Ausbildung für alle einzusteigen, befristet den Handlungsspielraum für die Rand- und Vertretungszeiten zu erhöhen und den Trägern vor Ort mehr Flexibilität einzuräumen. Und damit das auch zeitnah nach dem Sommer wirkt, schlagen wir Ihnen vor, in der nächsten Woche eine Sondersitzung des Landtages einzusetzen und das Gesetz zu verabschieden. Gleichzeitig beantragen wir eine Sondersitzung des Kultusausschusses am Freitag im Anschluss an das Plenum, um eine zügige Beratung durchzuführen.

Sehr geehrte Damen und Herren, eine bessere Situation an den Kitas ist möglich, zeigen wir, dass wir nicht abwartend zuschauen.

veröffentlicht am 21.Jun.2023