Rede des CDU-Fraktionsvorsitzenden Björn Thümler zu TOP 18 „Abgabe einer Regierungserklärung mit dem Titel „Mehr als nur Binnenmarkt – Europa weiterentwickeln für Niedersachsen“ (Unterrichtung durch den Ministerpräsidenten)
Es gilt das gesprochene Wort!
Noch 10 Tage – dann wählen die Unionsbürger in Deutschland ein neues Europäisches Parlament. Dieser 25. Mai ist ein wichtiges Datum für Niedersachsen.
Als Land im Herzen Europas sind wir auf eine weiterhin erfolgreiche Entwicklung der Europäischen Union angewiesen! Darum dürfen wir das Feld nicht radikalen von links und rechts überlassen. Die beste Gewähr dagegen ist eine hohe Wahlbeteiligung!
Wir müssen die Menschen für die Wahl zum EU-Parlament begeistern.
Eine Aussprache über die Europapolitik hier im Landtag muss zwingend drei Fragen umreißen:
- Was bedeutet das Europa von heute für die Menschen?
- Was bringt es den Menschen?
- Wie soll die Zukunft Europas aussehen?
Was bedeutet das Europa von heute für die Menschen?
Wer die Diskussion über Griechenland, den Euro und die Finanzkrise verfolgt hat, der konnte gelegentlich den Eindruck gewinnen, dass manchem in Europa das Gespür abhanden gekommen ist, was das geeinte Europa für uns alle bedeutet.
Die letzten Jahre waren eine echte Bewährungsprobe für die Europäische Union. Aber diese Bewährungsprobe hat sie gut gemeistert!
Die EU stellt aktuell etwas über 7 Prozent der Weltbevölkerung. Die EU erarbeitet rund 25 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung – derzeit mit stetig sinkender Tendenz. Die EU bringt gleichzeitig aber knapp 50 Prozent der weltweiten Sozialleistungen auf.
Wir werden uns anstrengen müssen, um den bisherigen Wohlstand und die gewohnte hohe soziale Absicherung auch für die Zukunft zu bewahren!
Unser westliches Nachbarland, die Niederlande, sind Deutschlands zweitwichtigster Handelspartner nach Frankreich. Deshalb ist es wichtig und notwendig, dass wir die bestehenden vielfältigen Kooperationen mit den Niederlanden weiter stärken!
Große Chancen sehe ich u.a. in einer gemeinsamen Infrastrukturplanung. Drei konkrete gemeinsame Projekte möchte ich nennen:
- Den zweigleisigen Ausbau der Bahnstrecke Groningen-Oldenburg.
- Den durchgängig vierspurigen Ausbau der Europastraße E233 von Hoogeveen bis zur A1 in Cloppenburg.
- Die European Medical School in Oldenburg.
Die Europäische Union ist nicht nur ein gemeinsamer Binnenmarkt, sie ist in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise auch nicht nur eine Krisenunion. Nein, die Europäische Union ist auch und vor allem eine weltweit einzigartige Wertegemeinschaft!
Sie steht für:
- Frieden,
- Freiheit – vor allem Meinungs- und Pressefreiheit
- Demokratie,
- Rechtsstaatlichkeit,
- universelle Menschenrechte,
- Gleichheit von Frauen und Männern,
- Toleranz,
- Schutz des Privateigentums,
- Wohlstand
- Bewahrung der Schöpfung
- soziale Marktwirtschaft.
Die Lehre für uns Deutsche aus unserer jüngeren Geschichte war und ist der Wunsch „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. So heißt es wörtlich in der Präambel des Grundgesetzes.
Und dieses Bekenntnis zu Europa war und ist gerade für uns Christdemokraten eine Frage der Vernunft und ebenso eine Herzensangelegenheit! Als Partei von Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel haben wir von Beginn an über viele Jahrzehnte bis heute entscheidend zur europäischen Integration und zum Aufbau eines vereinigten Europas in Frieden und Freiheit beigetragen.
Europa ist die Lehre aus den Fehlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – mit zwei schrecklichen Weltkriegen. Konrad Adenauer und Charles de Gaulle haben erfolgreich tiefe Gräben zwischen Deutschland und Frankreich überwunden.
Helmut Kohl und François Mitterrand haben es sich später dann zur Aufgabe gemacht, den Prozess der europäischen Einigung fortzuführen und die politische Zusammenarbeit zu vertiefen. Die engen persönlichen Freundschaften Kohls zu Michail Gorbatschow, George Bush und François Mitterrand bildeten dann auch die Basis, um die Zustimmung zur Deutschen Einheit zu erlangen
Herr Weil hat in diesem Zusammenhang auch auf das Epochenjahr 1989 hingewiesen. Nun hat Niedersachsen das seltene Glück, im 25. Jahr des Mauerfalls Gastgeber des „Tags der Deutschen Einheit“ zu sein. Wir haben die klare Erwartung, dass bei den Feierlichkeiten in Hannover in besonderer Weise diejenigen gewürdigt werden, ohne die die Wiedervereinigung nicht geglückt wäre: Die mutigen DDR-Bürgerrechtler und die Millionen friedlicher Demonstranten in allen Teilen der DDR!
Kommen wir zur zweiten Frage:
Was bringt es den Menschen?
Diese Frage kann man mit Blick auf die aktuelle Entwicklung in der Ukraine ganz einfach beantworten: Europa sichert uns ein Leben in Frieden und Freiheit!
Die Ukraine-Krise ist eine Tragödie, vor allem für die Menschen dort, die um ihr Land, ihre Zukunft, ja um ihre Sicherheit und ihr Leben bangen.
Wir trauern mit den Menschen, die Angehörige und Freunde verloren haben.
Diese Krise führt uns brutal vor Augen, dass Frieden und Freiheit auf unserem Kontinent keine Selbstverständlichkeit ist. Wir müssen Frieden und Freiheit bewahren und täglich neu erarbeiten. Uns allen sollte bewusst sein: Vor 100 Jahren, noch vor 75 Jahren, ja wahrscheinlich auch noch vor 60 Jahren hätten in Europa die Waffen gesprochen. Der Kurs der Europäischen Union diesen Konflikt diplomatisch zu lösen ist der einzig richtige.
Um es deutlich zu sagen: Hilfreich ist nicht, ja geradezu heimtückisch ist es, wenn der kleine Herr mit der runden Brille von der Linkspartei am vergangenen Wochenende die Europäische Union und Amerika beschuldigt sie hätten die Verantwortung für den Ukraine Konflikt. Dann müssen wir dem kleinen Herrn mit der runden Brille deutliche zurufen:
– Unterlassen Sie diese verzweifelten Versuche die Weste von Herrn Putin in diesem Konflikt rein waschen zu wollen und die westliche Wertegemeinschaft für den Konflikt verantwortlich zu machen.
– Hören Sie auf die Täter zu verteidigen. Es ist doch Herr Putin der die Spaltung der Ukraine in Kauf nimmt und das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer unterläuft.
Die Antwort der Europäischen Union ist richtig. Wir stehen zusammen. Wir reagieren entschlossen aber mit den Mitteln der Diplomatie. Wir lassen uns nicht erpressen, auch nicht mit der Drohung Europa den Gashahn zu zudrehen. Unsere Europäische Union ist mehr als ein Markt, sie ist eine Friedens- und Wertegemeinschaft und die lässt sich nicht erpressen!!
Für eine starke Europapolitik ist ein glaubwürdiger Wertekompass eine unabdingbare Voraussetzung. Solch ein verlässlicher Wertekompass hätte Ihnen, Herr Weil, auch geholfen bei Ihrer jüngsten Reise in die Türkei.
Ich muss Ihnen sagen: Auch ich bin erschrocken über so viel Ahnungslosigkeit und über so viel Unkenntnis über die Hintergründe des Zypern-Konfliktes!
Man muss dazu wissen:
Die Zyprioten haben nichts gegen einen Beitritt der Türkei zur EU
Sie wollen lediglich, dass das Ankara-Protokoll von 2005 endlich erfüllt wird: Es verlangt als Bedingung für einen EU-Beitritt der Türkei die Öffnung ihrer Häfen und Flughäfen für Schiffe und Flugzeuge auch aus dem EU-Land Zypern. Dies aber verweigert die Türkei bis heute!
Kommen wir zur dritten und letzten Kernfrage: Wie soll die Zukunft Europas aussehen?
Bei der Frage, wie wir Europa künftig weiter entwickeln, gibt es zwischen den Parteien durchaus Unterschiede. Sie haben in Ihrer Regierungserklärung ein gewisses Demokratiedefizit innerhalb der EU beklagt. Ich sehe das anders. Aus meiner Sicht ist die Entwicklung des Europäischen Parlaments seit seinen Anfängen eine einzigartige Erfolgsgeschichte!
Tatsache ist doch: Das Europäische Parlament wird auf der Grundlage des Vertrages von Lissabon mit dieser Wahl erheblich an Kompetenzen gewinnen. Das Parlament ist dazu mit dem Rat in fast allen Fällen europäischer Gesetzgebung gleichberechtigter und zusammenwirkender Gesetzgeber.
Wer diese Fortschritte nicht zu würdigen weiß, der reiht sich ungewollt in die Reihe der Euroskeptiker ein! Und genau das darf nicht passieren, das radikale Parteien wie UCIP, Front National, Morgenröte u.a. diese Europäische Idee zerstören und wir in die Zeiten der Nationalstaaten zurückfallen. In diesem Zusammenhang noch eine Anmerkung:
Mit Blick auf den Vortrag den Bundestagspräsident Norbert Lammert im März hier im Niedersächsischen Landtag gehalten hat, ist die CDU der Meinung, dass wir alle miteinander eines klären müssen. Nämlich wie wir unsere Parlamentsrechte im Hinblick auf die Beteiligung an europapolitischen Entscheidungen gegenüber der Landesregierung stärken wollen.
Mehr Akzeptanz für Europa setzt auch voraus, dass die Menschen wissen, was die Europäische Union zukünftig leisten soll und was nicht. Es gibt zahlreiche Aufgaben, die die Mitgliedstaaten heute nicht mehr sinnvoll alleine bewältigen können.
Einige Beispiele:
- die Finanzmärkte streng und wirksam regulieren,
- den gemeinsamen Binnenmarkt vollenden.
- die gemeinsame Energiepolitik voranbringen,
- die Außengrenzen schützen,
- die Außen- und Sicherheitspolitik stärken.
Dafür brauchen wir ein starkes Europa. Ein starkes Europa der Demokraten!
Andererseits: Nicht jedes Thema in Europa ist auch ein Thema für Europa.
Die Dinge sind am besten dort aufgehoben, wo sie auch am besten geregelt werden.
Wir wollen ein besseres Europa. Eine Europäische Union die nur dann tätig wird, wenn sie wirksamer handeln kann als die Mitgliedstaaten mit ihren Regionen und Kommunen!
Das erfordert aber auch von uns eine klare Zurückhaltung bei Forderungen, was sonst noch alles geregelt werden soll. Im Übrigen hätte Herr Gabriel der Versuchung widerstehen müssen, über den Umweg der EU die Glühbirnen abzuschaffen. Solche Aktionen zerstören Vertrauen. Sie nerven die Menschen. Das muss ein Ende haben.
Im Übrigen ist die Europäische Kommission in sehr vielen Fällen nicht Urheber von mehr Bürokratie. Fakt ist: Viele Anregungen für neue Regelungen kommen aus den Mitgliedsstaaten der EU. Die meisten Anregungen für Regelungen kommen aus Deutschland. Politik, Lobbyisten, Nationale Beauftrage u.a. Sie alle sorgen für den Eindruck, dass Europa ein bürokratisches Monster ist.
Ein besseres Europa verlangt also von allen Beteiligten, auch von uns selber, mehr Zurückhaltung und mehr Disziplin. Wir brauchen mehr Europa in den großen Fragen; wir brauchen weniger Europa in den kleinen Fragen und wir brauchen gar kein Europa im Klein-Klein.
Niedersachsen und die Europäische Union – das war und das ist eine Beziehung zu beiderseitigem Nutzen.
Deshalb werbe ich für eine hohe Wahlbeteiligung am 25. Mai, eben auch um die radikalen Linken und Rechten aus dem Parlament fern zu halten. Und: eine hohe Walbeteiligung ist das beste Mittel Radikale, Populisten und Opportunisten, die dieses Europa zerstören wollen.
Bei der Wahl geht es jetzt vor allem darum, die pro-europäischen Kräfte zu stärken, die Europa nicht bekämpfen, sondern die eine bessere Europäische Union wollen.
Wir dürfen Europa nicht den anderen überlassen, den Demagogen, Extremisten und Radikalen vom rechten und linken Rand. Die Motive ihrer potentiellen Wähler müssen wir gleichwohl ernst nehmen.
Es geht darum, dass wir alle gemeinsam einen engagierten Wahlkampf führen. Dazu gehört für mich, entschieden und leidenschaftlich für die europäische Idee zu werben. Gerade und vor allem im Gedenkjahr 2014!
Und wir müssen deutlich machen: Die Menschen haben die Wahl. Es gibt Unterschiede auch zwischen den pro-europäischen Kräften, die wir ebenso klar benennen.
Erstens: Auch in Zukunft brauchen wir solide Staatshaushalte. Dafür ist jeder Mitgliedsstaat selbst verantwortlich. Wir Christdemokraten sind gegen Eurobonds. Eine Vergemeinschaftung von Schulden lehnen wir ab.
Zweitens: Wir Christdemokraten wollen ein Europa der Vielfalt und kein in Brüssel zentralistisch verwaltetes Europa. Die EU soll dann Aufgaben wahrnehmen, wenn sie dort am besten gelöst werden können.
Drittens: Wir Christdemokraten erkennen die besondere Bedeutung der Türkei an. Wir wollen in strategischen und wirtschaftlichen Fragen so eng wie möglich zusammenarbeiten. Aber eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU lehnen wir ab.
Auch diese Unterschiede benennen wir klar und deutlich.
In diesem Sinne lassen Sie uns gemeinsam um jede Stimme für ein demokratisches Europa und eine hohe Wahlbeteiligung kämpfen.