Rede der stellvertretenden Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Mechthild Ross-Luttmann TOP 32 Haushaltsberatungen 2015 – Haushaltsschwerpunkt Justiz

– Es gilt das gesprochene Wort –

Ein Staat ohne funktionierende Justiz ist ein schlechter Staat. In unserem Rechtsstaat müssen Gerichte und Staatsanwaltschaften gut und effektiv für die Durchsetzung des Rechts sorgen können. Dazu bedarf es ausreichender Haushaltsmittel und wirksamer Unterstützung der engagierten und motivierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz.

Es bedarf aber auch eines gut geführten Justizministeriums, das im besten Fall geräuschlos und effizient seine Arbeit macht, damit Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizvollzugsanstalten ihre wichtige Arbeit erledigen können.

Noch vor zwei Jahr hätte ich mit diesen Selbstverständlichkeiten nicht die Haushaltsrede begonnen, denn die damaligen Justizministerinnen und Justizminister haben ihr Haus klug geführt und zeitnah richtige Entscheidungen für die Zukunft getroffen. Das vermisse ich bei Ihnen. Ich hätte mir von Ihnen mehr Ehrlichkeit und Souveränität und weniger Fehlentscheidungen erhofft. Und Frau Ministerin, Sie hätten sich bewähren können, denn es gab genügend brisante Vorfälle im Justizbereich, die Ihr engagiertes Handeln erfordert hätten. Diese Chancen haben Sie vertan. Nur Bekenntnisse abgeben und freundlich lächeln ist nicht genug.

Was passierte in diesem Jahr? Wir haben einen Fall Edathy, wohl die politische Affäre 2014. In Berlin wird nun in einem Untersuchungsausschuss geklärt, wer wann was wusste und vor allem welche Informationen womöglich aus Niedersachsen flossen. Wer in Niedersachsen wann was wusste, ob Edathy womöglich gewarnt wurde? Wo dadurch möglicherweise belastendes Material vernichtet werden konnte? Dem nachzugehen wäre Ihre Aufgabe gewesen. Was haben Sie veranlasst? Nichts! Was befürchten Sie?

Zur Immunität Sebastian Edathys wurde uns beständig versichert, alles sei rechtmäßig gelaufen und die Immunität von Sebastian Edathy als Bundestagsabgeordneter sei nicht verletzt worden. Erst das Bundesverfassungsgericht musste feststellen, dass die Immunität von Sebastian Edathy verletzt und die notwendige Sorgfalt bei Entscheidungen nicht gewahrt wurde. Naja, Sie haben kleinlaut Ihren Fehler im Nachhinein eingeräumt. Weitere Konsequenzen? Keine!

Auch im Fall des mutmaßlich korrupten Referatsleiters des Landesjustizprüfungsamtes im Justizministerium spielten Sie gegenüber dem Landtag nicht mit offenen Karten. Warum der Verdächtige sich entschloss, im Anschluss an ein Gespräch mit dem Staatssekretär nach Italien mit einer Waffe und 30.000 Euro in bar zu fliehen, wirft nach wie vor Fragen auf.

Immer wieder betonen Sie, Frau Ministerin, aufklären zu wollen, aber tatsächlich werden Sachverhalte geschönt, verschleiert und Informationen zurückgehalten. So kann man als Ministerin nicht mit Öffentlichkeit und Landtag umgehen. Das ist ganz schlechter politischer Stil, besonders vor dem Hintergrund, dass Sie ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz vorbereiten. Frau Ministerin, Sie haben ein Glaubwürdigkeitsproblem.

Besonders deutlich wurde das im Fall des Sicherungsverwahrten, der mutmaßlich eine 13-jährige während eines Freiganges in Lingen vergewaltigt hat und nicht zurückkehrte. Selbstverständlich sind Sie nicht für kriminelles Verhalten von Straftätern verantwortlich. Wohl aber dafür, dass die Bevölkerung erst nach mehreren Tagen viel zu spät über diesen Vorfall und die Flucht des mutmaßlichen Täters informiert wurde. Die Eltern in Lingen hätten diese Informationen gerne früher gehabt, als sie ihre Kinder in diesen Tagen zum Spielen nach draußen schickten und gleichzeitig die Polizei dort einen rückfälligen Sicherungsverwahrten suchte. Als die Information dann nach Tagen kam, war sie noch nicht mal vollständig und verschwieg, dass der Gesuchte bereits einmal einen Menschen umgebracht hatte. Wirksamer Schutz der Gesellschaft vor Straftätern sieht anders aus. Konsequenzen? Wieder mal keine! Transparenz und Offenheit sehen anders aus. Sie gefährden die Akzeptanz von Justizvollzugsanstalten und der Sicherungsverwahrung, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass man sie über Fluchten und Rückfälle nicht ehrlich und schnell informiert.

Ende Juni fragten wir hier im Plenum zur unerlaubten Nutzung von Dienstwagen durch Landesbedienstete. Auch hier informierte die Ministerin falsch und behauptete eine nachträgliche Genehmigung, die es nie gab. Dies wurde kleinlaut kurz darauf zurückgezogen. Konsequenzen? Keine!

Wir haben all diese Vorfälle kritisch hinterfragt, was auch unsere Aufgabe ist als Opposition. Wie reagieren Sie hier drauf? Sie deuten unsere berechtigte Kritik an Ihrer Amtsführung in Angriffe gegen die Justiz um. Auch vorgestern reagierten Sie auf die Äußerung des Kollegen Dr. Genthe, das Justizgesetz sei kein rechtspolitischer Befreiungsschlag, reflexartig: die Niedersächsische Justiz brauche keinen Befreiungsschlag. Das ist ganz schlechter politischer Stil. Statt berechtigter Kritik an Ihrer Amtsführung auf die Justiz zu beziehen, sollten sie sich der Kritik stellen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Justiz leisten hervorragende Arbeit. Wir brauchen sie. Tun Sie etwas für sie.

Dann kam der Fall des Sicherungsverwahrten, der von den Einheitsfeierlichkeiten in Hannover floh. Da gab es plötzlich markige Worte und sie kündigten personelle Konsequenzen an. Die Presse begrüßte erfreut, dass die Ministerin endlich entschlossen schien zu handeln und die Sicherungsverwahrung in Rosdorf eine neue Leitung erhalten solle. War das wirklich so? Tatsächlich ließen Sie diese wichtige Stelle drei Monate unbesetzt. Dann passierte die Flucht und Sie nahmen, die ohnehin vorgesehene Besetzung vor und verkauften dies als personelle Konsequenz. Wie dreist ist das denn? Was die Leiterinnen und Leiter der Justizvollzugsanstalten davon halten, haben sie Ihnen ja geschrieben. Der Verband der Beschäftigten des Justizvollzuges fordert eine Neubesetzung Ihres Amtes.

Die Notlösung aus den Koalitionsverhandlungen als Justizministerin hat sich nicht als Glücksgriff erwiesen, sondern als Fehlgriff und zunehmend auch als Belastung der Regierung Weil.

Das einzige eigene rechtspolitische Projekt der Justizministerin zeigt die Ideenlosigkeit. Die Straffreiheit für Ladendiebstähle und Schwarzfahren schlugen Sie als Thema für die Justizministerkonferenz im Juni auf Rügen vor. Alleine Ihre Kollegen wollten hiervon nichts wissen. Es wäre auch ein verheerendes Signal, wenn das Eigentum von Gewerbetreibenden nicht mehr vollständig unter den Schutz des Strafrechtes gestellt wird. Es ist außerdem ein Zeichen von Arroganz gegenüber den Opfern, die es verdienen, dass Straftaten aufgeklärt und strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden. Viel sinnvoller wäre es gewesen, Sie hätten über Präventionsmaßnahmen nachgedacht. Denn es ist richtig, dass es Menschen gibt, die durch Urteile und Straftaten mit der Begehung dieser Taten nicht aufhören. Besser ist es, dafür zu sorgen, dass sie straffrei bleiben.

Dies ist der zweite Haushalt der Justizministerin und er weist keine nennenswerten Änderungen im Vergleich zu den Vorjahren auf, sofern man auf die Ausgabenseite sieht. Bei der Einnahmenseite sieht es inzwischen sehr viel erfreulicher aus. Infolge der deutlichen Anhebung der Gerichtsgebühren ist hier ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen. Sie schöpfen ihre Möglichkeiten jedoch nicht aus und lassen den Gestaltungsspielraum für dringende Herausforderungen ungenutzt. Die Ansätze für die Einnahmen sind wie letztes Jahr viel zu niedrig angesetzt. Die Ansätze fallen noch unter den Ist-Einnahmen des Jahres 2014 zurück. Die Gerichtsgebühren werden stärker steigen.

Ich hätte erwartet, dass Sie, Frau Ministerin, von diesen steigenden Einnahmen einen größeren Anteil für ihren Verantwortungsbereich sichern. Auch baulich muss in zahlreichen Gerichten noch etwas geschehen. Frau Justizministerin, Sie waren selbst in Osnabrück und haben dort gesagt, dass ein erheblicher Handlungsdruck bestünde. Von diesem Handlungsdruck ist in diesem Haushalt allerdings nichts zu sehen. Unser Haushaltsantrag korrigiert dies. Ich kann Sie nur ermutigen unseren Vorschlägen zu folgen.

Mit unserem Haushaltsentwurf setzen wir die zu erwartenden Einnahmen aus den Gerichtsgebühren realistisch an und sehen einen Teil dieser Einnahmen für Verbesserungen in der niedersächsischen Justiz vor. Wir wollen die Sicherheit an den Gerichten verbessern. Zum Beispiel müssen obligatorische Sicherheitskontrollen in den Gerichten unser Ziel bleiben. Wie letztes Jahr möchten wir für 50 Justizwachtmeister die Hebung ihrer Stellen von A 5 auf A6 als Einstieg in den Ausstieg der Besoldungsgruppe A5 in der Justiz. Die Verantwortung dieser Mitarbeiter wächst, nicht zuletzt auch durch das neue Justizgesetz. Die Justizwachtmeister bekommen ähnlich dem Vollzugsdienst der Polizei neue Kompetenzen. Ihre Besoldung muss dem auch angepasst werden. Dies gilt auch für ihre Ausbildung. Vierwöchige Lehrgänge reichen für die Erfüllung ihrer wichtigen Aufgabe, die Sicherheit an den Gerichten zu gewährleisten, nicht mehr aus.

Wir möchten hier wir ein zentrales Fortbildungsprogramm, um die Sicherheit bei den Gerichten zu verbessern. Wir möchten ferner ein Maßnahmenprogramm zum Ausbau der Mediation fördern. Die außergerichtliche Streitbeilegung hat mehrere Vorteile. Insbesondere im Bereich der Baustreite sehen wir noch erhebliches Potential.

Die Zahlen der Wohnungseinbrüche sind alarmierend. Hier müssen wir uns mehr um die Opfer kümmern. Ein Einbruch in die eigene Wohnung ist nicht nur ein finanzieller Verlust, sondern auch ein Verlust an Sicherheit im höchstpersönlichen Bereich. Wer hierdurch traumatisiert wurde, braucht unsere Hilfe. Mit 250.000 Euro sollte hier ein Einstieg zur Erstellung eines Konzepts der Traumabewältigung von Opfern von Wohnungseinbrüchen geschaffen werden.

Wir möchten uns auch bei den 217 Sonderprüfern bedanken, die die 14.058 Klausuren infolge des Korruptionsskandals im Landesjustizprüfungsamt neu überprüft haben. Das haben sie mit großen Engagement, zusätzlich zu ihren Aufgaben gemacht. Davor habe ich großen Respekt. Für die zusätzliche Aufgabe haben sie weder eine Vergütung, noch einen Freizeitausgleich erhalten. Wir möchten aber den Vorschlag aufgreifen, dass die Ministerin sich bei den Sonderprüfern durch die Einladung zu einem Essen in Kürze bedankt. Ich weiß, das ist nicht wirklich viel, aber eine Geste, die Wertschätzung und Anerkennung ausdrückt.

Die Justiz in Niedersachsen steht vor großen Herausforderungen. Der demografische Wandel und der Kampf um beste Talente gelten auch für die Justiz. Unser Land braucht die Besten! Antworten auf diese Herausforderungen sehe ich seitens der Justizministerin leider nicht.

Zum Schluss möchte ich Frau Modder zitieren. Vorgestern konnte man von ihr in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung lesen, dass es den Menschen nicht so wichtig sei, irgendwo ein Highlight zu setzen, sondern dass man die Probleme abarbeitet. Wohl wahr, Frau Modder, Sie sitzen mit am Kabinettstisch. Meinen Sie, dass die Justizministerin diesen Anspruch erfüllt? Die Justiz hat es nicht verdient, so freud- und ideenlos regiert zu werden.

veröffentlicht am 17.12.2014