Rede des CDU-Landtagsabgeordneten Helmut Dammann-Tamke zu TOP 39 „Haushaltsberatungen 2017/2018 – Haushaltsschwerpunkt Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung“
– Es gilt das gesprochene Wort! –
Heute Abend zu vorgerückter Stunde beraten wir den Einzelplan 09. Es ist bedauerlich, dass wir erst so spät darüber sprechen, aber das ist nun mal dem verabredeten Verfahren geschuldet. Allerdings liegt auch eine gewisse Symbolik darin, denn die niedersächsische Landwirtschaft hat ein dramatisch schlechtes Wirtschaftsjahr hinter sich – das haben die Auswertungszahlen der Landwirtschaftskammer uns eindrucksvoll aufgezeigt. Besonders hart hat es die Milchviehbetriebe getroffen. Aber auch die Schweinehalter sind schon über einen langen Zeitraum extrem tiefgreifend vom Marktgeschehen getroffen.
Der Markt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist das eine. Was aber nach unserer Auffassung noch viel gravierender ist, ist die Verunsicherung der gesamten Branche – also auch des vor- und nachgelagerten Bereichs. In Verbindung mit dem Marktgeschehen schlägt diese Verunsicherung immer häufiger in Resignation um. Mehr als anderthalb Sätze war dieser Umstand dem Landwirtschaftsminister in seiner Einbringungsrede im Agrarausschuss allerdings nicht wert. Insgesamt hat es von dieser Landesregierung bis heute außer warmen Worten keine nennenswerten Initiativen gegeben, um den in Not geratenen Betrieben konkrete Hilfe zukommen zu lassen.
Böswillig könnte man sagen, dass dem Minister diese Entwicklung durchaus entgegen kommt. Fakt ist: Die rot-grüne Landesregierung will eine andere Landwirtschaft. Sie will einen Extensivierungsprozess, der alle Bereiche der Landwirtschaft umfasst:
- weniger Tiere
- weniger Düngung
- weniger Anbau von Mais zur Bioenergieerzeugung
- weniger Ställe
- weniger Antibiotika
- weniger Sojaimporte
- weniger Agrarexporte
- weniger Milch
- weniger kurative Eingriffe am Tier
- weniger Fleischkonsum
- weniger Moorstandorte in landwirtschaftlicher Nutzung
- weniger Emissionen klimaschädlicher Gase aus der Landwirtschaft
Die Liste ließe sich noch lange fortsetzen.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Jedes einzelne dieser Ziele mag für sich allein genommen durchaus vernünftig, erstrebenswert oder gar unabdingbar sein. In Summe allerdings sind unsere Landwirte, gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, mit dieser Vielzahl an Anforderungen absolut überfordert. Und nun ist es ja nicht so, dass sich die Landwirte damit ausschließlich im stillen Kämmerlein auseinandersetzen müssten. Eine angeheizte gesellschaftspolitische Grundstimmung – und hier tun sich die Freunde der Grünen besonders hervor – sorgt für permanenten Rechtfertigungsdruck.
Hier, Minister Meyer, setzt – unabhängig von der politischen Gestaltung über Haushaltsansätze – unsere grundsätzliche Kritik an der Bilanz ihrer Regierungsverantwortung in Niedersachsen an: Sie sind in den zurückliegenden knapp vier Jahren im Hinblick auf die Anliegen und Interessen der Ihnen anvertrauten 40.000 landwirtschaftlichen Betriebe immer nur nach einem Motto verfahren: „Wie muss ich der Aufgabenstellung begegnen damit es meinen eigenen politischen Zielsetzungen nutzt?“
Nehmen wir als tagesaktuelles Beispiel die Vogelgrippe: Sie – und noch stärker ihre Fraktion – versuchen einen ursächlichen Zusammenhang zur sogenannten „Massentierhaltung“ herzustellen. Oder wie ist es sonst zu verstehen, dass jeder Nachweis des Virus‘ in einem Stall sofort für eine Unterrichtung genutzt wird, Nachweise bei Wildvögeln aber keine Rolle spielen.
Herr Minister Meyer, Sie wurden und werden Ihrer Verantwortung als Ressortchef für den Bereich Lebensmittel und Agrar in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht. Nehmen wir das Beispiel der Agrarexporte: Deutschland ist der drittgrößte Agrarexporteur der Welt. Ein erheblicher Anteil davon geht auf eine niedersächsische Produktion zurück. Während der Wirtschaftsminister oder seine Staatssekretärin nahezu monatlich mit niedersächsischen Delegationen ins Ausland reisen, um für niedersächsische Waren beziehungsweise Absatzwege im Bereich Industrie und Handwerk zu werben, ist die Bilanz des Landwirtschaftsministers in dieser Hinsicht schnell zusammengefasst: 0,0.
Um nicht gleich wieder einen Aufschrei zu provozieren, sehr wohl ist in diesem Zusammenhang auf die Konsequenzen für regionale Märkte – beispielsweise in Afrika – zu achten. Es gibt jedoch eine Menge schnell aufstrebender Volkswirtschaften, die über eine hohe Kaufkraft verfügen, mit der entsprechenden Wertschätzung beispielsweise für Käse oder Wurstwaren.
Aber auch hier gilt: Agrarexporte passen nicht in das Weltbild eines grünen Agrarministers namens Christian Meyer. Deshalb nimmt er den Mengendruck auf den Märkten tatenlos hin. Es geht hier nicht nur um ein Weltbild, es geht
auch um eine tief verwurzelte Misstrauenskultur gegenüber allen Menschen, die in diesem Bereich ihr Einkommen suchen. Die massive Personalaufstockung im Bereich des LAVES ist der zählbare Ausdruck dieses Misstrauens.
Weit schwerer aber wiegt, dass alle zusätzlich veranlassten Kontrollen – sei es im Lebensmittelhandwerk, der Futtermittelwirtschaft oder in den landwirtschaftlichen Betrieben – gebührenpflichtig sind. In einem Land, in dem die Ausgaben für Lebensmittel im internationalen Vergleich am unteren Level liegen, befindet diese Landesregierung, dass es besser ist Kontrollen, die im öffentlichen Interesse liegen, von den Erzeugern finanzieren zu lassen, ohne dass diese im Regelfall eine Chance haben sich die Kosten im Wettbewerb über höhere Margen zurückzuholen.
Der Minister ist sich auch nicht zu schade sich mit fremden Federn zu schmücken, wie zum wiederholten Mal in seiner Einbringungsrede. Der Urheber der Antibiotikaminimierungsstrategie (AMG-Novelle) ist eine schwarz-gelbe Bundesregierung. Die administrative Umsetzung oblag eigentlich den Landkreisen. Auch hier hat der Mangel an Vertrauen in die kommunalen Veterinärämter dazu geführt, dass zusätzliches Personal eingestellt wurde und im Hintergrund – trotz erfreulicher Ergebnisse in der Reduktion von Antibiotika – eine Hausspitze Druck auf das LAVES und die Mitarbeiter ausübt, Gebühren reinzuholen!
Mangelndes Vertrauen beziehungsweise politischer Druck übt die Hausspitze auf die Arbeitsebene auch bei den Verhandlungen über die Kammerfinanzen aus. Ende Februar 2016 war man sich auf Arbeitsebene einig – seitdem hat die politische Hausspitze sieben Mal interveniert. Es wurden sieben neue Vorschläge gemacht. Das Ergebnis: Gestern wurde das Kammergesetz verabschiedet, der Streit um die Finanzierung hält jedoch weiter an.
Was wir Ihnen, Minister Meyer, allerdings wirklich ankreiden, ist, dass Sie regelmäßig gewisse objektive Hintergrundinformationen – um hier nicht unparlamentarisch zu werden – einfach weglassen und damit die Menschen, für die sie Verantwortung tragen, einfach hinter die Fichte führen. Hier im Parlament und in der Öffentlichkeit erwecken Sie regelmäßig den Eindruck – verbunden mit der entsprechenden Schelte gegenüber dem Bundeslandwirtschaftsminister – Sie sein die Speerspitze im Ringen um Hilfen für die krisengeschüttelten Landwirte. Und, was tun Sie konkret? In diesen Tagen hat per Umlaufverfahren eine Abstimmung im Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz des Bundesrates stattgefunden. Dabei ging es um die Zustimmung zum Gesetz zum Erlass und zur Änderung marktordnungsrechtlicher Vorschriften sowie zur Änderung des Einkommenssteuergesetzes – kurz: um das zweite Hilfspaket für die Landwirtschaft. Das Abstimmungsergebnis: 15 zu 1 – die einzige Gegenstimme kam aus Niedersachsen. Der Ordnung halber sei angeführt: Der niedersächsische Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschuss wurde von den beiden wichtigen Agrarstandorten Berlin und Bremen unterstützt.
Herr Minister Meyer, Sie sind selbst im Kreise ihrer grünen Amtskollegen zu einer ideologisch verbohrten Marionette mutiert. Gehen Sie raus in die Öffentlichkeit und erklären Sie, dass es besser ist, wenn kein Milchbauer vom Hilfsprogramm profitiert, wenn gleichzeitig ein Obstbauer, Ackerbauer oder Sauenhalter auch Vorteile gelten machen kann. Wenn es noch eines Beweises bedurfte, dass dieser Minister sich für eine Abwahl am 14. Januar 2018 empfiehlt – damit liegt er auf dem Tisch.
Die CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag hat selbstverständlich Änderungsanträge zum Haushalt eingebracht. In Kenntnis der Mehrheitsverhältnisse erspare ich mir die einzelne Aufzählung, da die Zukunft des Agrar- und Ernährungsstandort – zugegeben – nicht davon abhängt. Die Zukunft des deutschen Agrarstandortes Nummer eins hängt vielmehr davon ab, dass diese grüne Episode an der Spitze des Ressorts am 14. Januar 2018 ein Ende findet. Mein Vertrauen in den Wähler ist in dieser Hinsicht groß.