Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Sebastian Lechner, zu den Haushaltsberatungen 2026 am 16.12.2025

-es gilt das gesprochene Wort-

„Halbe Sachen“ als Regierungsprinzip

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, „Keine halben Sachen“ ist eine seichte Krimikomödie mit Bruce Willis in der Hauptrolle. Er hat großartige Filme wie Die Hard, Pulp Fiction oder Twelve Monkeys gedreht, doch dieser Film wurde von der Kritik zerrissen: routiniert inszeniert, aber lieblos erdacht, uninspiriert und seelenlos – ein Versuch, verschiedene Genres zu kombinieren, ohne etwas Eigenes zu schaffen. Genau so lässt sich auch Ihr Regierungshandeln in diesem Jahr beschreiben, insbesondere der Haushalt, den Sie hier vorlegen: ein routinierter Auftritt, aber ein uninspiriertes Verwalten, ein Sammelsurium aus Ankündigungen, Absichtserklärungen und Allgemeinplätzen. Ihr Regierungshandeln steht dabei nicht unter dem Titel „Keine halben Sachen“, sondern unter dem Titel „lauter halbe Sachen für Niedersachsen“. Man kann Ihnen nicht vorwerfen, dass Sie nichts tun, aber Sie bleiben regelmäßig auf halber Strecke stehen. Sie führen Dialoge, aus denen nichts folgt, kündigen Gesetze an, setzen diese dann aber halbherzig oder gar nicht um. Alles bleibt halb gar, nichts wird konsequent zu Ende gebracht, und vor allem bringt es unser Land nicht entschieden und engagiert voran.

Bildungspolitik

Besonders deutlich wird das in der Bildungspolitik. Es gibt in Niedersachsen eine dualisierte Ausbildung, aber nur für Fortbildungen oder Quereinsteiger, nicht für den regulären Weg, nicht für Realschülerinnen und Realschüler, die Erzieherin oder Erzieher werden wollen. Es gibt Sprachförderung, aber keine konsequente, die sicherstellt, dass wir keine Kinder einschulen, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind. Es gibt erste Ansätze beim Ganztag, aber kein zu Ende gedachtes Konzept; stattdessen lassen Sie die Kommunen mit der Umsetzung allein. Die Unterrichtsversorgung stagniert bei 96 Prozent, ein einfacher und zugänglicher Quereinstieg fehlt weiterhin, Lehrkräfte sind nach wie vor mit unterrichtsfremden Tätigkeiten überlastet. Pensionierte Lehrkräfte müssen, wenn sie in den Schuldienst zurückkehren wollen, teilweise sogar noch ihr Abiturzeugnis vorlegen und steigen dann zu Bedingungen ein, die kaum attraktiv sind. Niedersachsen ist im Bundesvergleich auf Platz zehn abgerutscht. Statt die Probleme anzugehen, reisen Sie durchs Land und verteilen Plaketten für Demokratiewagen. Der Vorschlag des Ministerpräsidenten besteht darin, Tablets für 800 Millionen Euro bis 2031 anzuschaffen – ohne pädagogisches Konzept, ohne Digitalisierungsstrategie und ohne Plan. Unser Vorschlag ist klar: ein Digitalbudget für Schulen, damit sie selbst entscheiden können, ob sie Tablets anschaffen oder in WLAN, Access Points und Infrastruktur investieren. Vor allem aber braucht es deutlich mehr Investitionen in Schulsozialarbeit, denn an vielen Schulen brennt es längst.

Innenpolitik und Sicherheit

Auch in der Innenpolitik erleben wir lauter halbe Sachen. Die Polizeipräsenz vor Ort nimmt wegen Personalmangels weiter ab, die Gewerkschaften schreiben Brandbriefe, doch im Haushalt ist dazu nichts Substanzielles vorgesehen. Beweismittel werden noch immer per USB-Stick transportiert, eine digitale Beweismittel-Cloud existiert nicht. Hybride Angriffe nehmen zu, Konzepte wie ein Drohnenabwehrzentrum fehlen, die Cyberkriminalität steigt, aber wirksame Strukturen zu ihrer Bekämpfung sind kaum vorhanden. Gleichzeitig wächst die organisierte Kriminalität, während Sie lieber über Begrifflichkeiten diskutieren, statt konsequent zu handeln. Besonders deutlich wird das Versagen beim Thema Migration und Rückführungen. Sie schieben die Verantwortung auf den Bund, obwohl dieser längst signalisiert hat, dass er ein Dublin-Zentrum und ein Zentrum für Sekundärmigration unterstützt. Dennoch findet sich weder im Haushalt noch in der Planung ein konkreter Ansatz für Niedersachsen.

Beschämend war in diesem Jahr insbesondere der Umgang mit der elektronischen Fußfessel für Gewalttäter gegenüber Frauen. Was wurde nicht alles angekündigt, versprochen und verschoben. Nun soll die Fußfessel im Rahmen der Polizeigesetzreform kommen – mit einer absehbaren Beratungszeit von mindestens anderthalb Jahren. Während andere Bundesländer längst gehandelt haben, wollen Sie bis 2027 warten. Das ist ein Koalitionspoker zulasten der Sicherheit von Frauen, und das ist beschämend.

Hochschulen und Wissenschaft

Ebenso beschämend ist der Umgang mit dem Ordnungsrecht an den Hochschulen. Seit über einem Jahr fordern wir ein klares Ordnungsrecht, um jüdische Studentinnen und Studenten wirksam vor Antisemitismus zu schützen. Angekündigt wurde viel, geliefert nichts. Vertröstet, verschoben, verzögert – das ist unverzeihlich. Der Wissenschaftsminister hat zu lange gezögert und damit nicht nur sich selbst, sondern auch das Amt beschädigt. Hochschulpräsidenten wenden sich ab, im Ministerium herrscht Unruhe, und die Probleme an der Medizinischen Hochschule Hannover sind offensichtlich. Wer Verantwortung trägt, muss handeln – oder Konsequenzen ziehen.

Wirtschaftspolitik

Der Ministerpräsident äußert sich vor allem zu wirtschaftspolitischen Themen, doch selbst hier bleiben es halbe Sachen. Die Industrie leidet, Arbeitsplätze gehen verloren, Insolvenzen nehmen zu. Wir brauchen einen industriepolitischen Aufbruch. Auf Bundesebene liefern wir diesen jetzt, etwa mit dem Industriestrompreis, aber im Land fehlen Tempo und Entschlossenheit. Genehmigungen dauern zu lange, Planfeststellungen werden verschleppt, strategische Industrieprojekte erhalten keinen Vorrang. Das Landesraumordnungsprogramm wird nicht angepasst, Rohstoffgewinnung und CCS-Technologien werden blockiert. Statt Hindernisse abzubauen, schaffen Sie neue. Das ist keine industriepolitische Agenda, doch genau die braucht Niedersachsen dringend.

Infrastruktur

Zur industriellen Zukunft gehört eine mutige Infrastrukturpolitik. Häfen müssen ausgebaut, die Hafenhinterlandanbindung gestärkt und Autobahnprojekte wie A20 und A39 vorangebracht werden. Der Bund hat angekündigt, alles zu bauen, was baureif ist, doch Niedersachsen nutzt diese Chance nicht. Für den Straßenbau planen Sie über zehn Jahre gerade einmal 500 Millionen Euro von den zehn Milliarden Euro, die aus dem Sondervermögen zur Verfügung stünden. Dabei sind die Schäden auf unseren Straßen offensichtlich und das Zeitfenster zum Handeln offen.

Finanzpolitik

Gleichzeitig nutzen Sie jede Möglichkeit, neue Schulden zu machen. Der Finanzminister erfindet eine Infrastrukturgesellschaft, die selbst nach Einschätzung eigener Experten ökonomisch unsinnig und verfassungsrechtlich fragwürdig ist. Niedersachsen schöpft die neuen Verschuldungsspielräume vollständig aus, während andere Länder bewusst darauf verzichten. Schulden müssen immer zurückgezahlt werden – durch höhere Steuern, Einsparungen oder Inflation. Inflation trifft besonders Gering- und Durchschnittsverdiener. Wir brauchen deshalb keine Nachfragepolitik mehr, sondern eine Angebotspolitik, die an den Strukturen ansetzt und unser Land wettbewerbsfähig macht.

Staatsmodernisierung und Digitalisierung

Eine echte Modernisierungsagenda ist dringend notwendig, doch auch hier bleiben Sie bei halben Schritten stehen. Das Europaministerium wird im Namen abgeschafft und in die Staatskanzlei integriert, Zuständigkeiten werden unklar, Strukturen unübersichtlich. So modernisiert man keinen Staat. Besonders deutlich wird das Versagen bei der Digitalisierung. Niedersachsen ist im Digitalindex auf Platz 15 von 16 abgestürzt. Die Digitalisierung der Verwaltung liegt seit 13 Jahren in der Verantwortung des Innenministeriums, Konsequenzen ziehen Sie daraus nicht. Stattdessen besetzen Sie zentrale Positionen ohne erkennbare Digitalisierungsexpertise. Wer so entscheidet, will nicht digitalisieren, sondern verwalten.

Kommunen: Vertrauen predigen, Kontrolle behalten

Sie reden viel von Vertrauen und Zutrauen, handeln aber gegenteilig. Trotz Kommunalfördergesetz existiert bislang nur ein einziges Förderprogramm. Unser Vorschlag, die Vielzahl von Förderprogrammen abzuschaffen und die Mittel direkt über den kommunalen Finanzausgleich weiterzugeben, wird mit dem Argument abgelehnt, man verliere Einfluss. Genau darum geht es. Das Verhältnis zwischen Landesregierung und Kommunen ist so schlecht wie lange nicht. Rund 300 Bürgermeisterinnen und Bürgermeister haben den Wittmunder- Appell unterzeichnet, weil sie sich im Stich gelassen fühlen. Vier Milliarden Euro Defizit belasten die Kommunen, und dieser Haushalt enthält keinen fairen Deal. Wir fordern eine dauerhafte Stärkung der Kommunen durch höhere Mittel und eine Anhebung der Verbundquote – das ist leistbar und notwendig.

Schluss: Niedersachsen braucht einen Richtungswechsel

Herr Ministerpräsident, Dialog ist ein guter Anfang, aber nie ein gutes Ende. Niedersachsen braucht Klarheit, Entschlossenheit und einen echten Richtungswechsel: in der Bildungspolitik, in der Innenpolitik, in der Wirtschaftspolitik, in der Finanzpolitik, bei Staatsmodernisierung und Digitalisierung sowie im Verhältnis zu unseren Kommunen. Sie aber gehen nur in Trippelschritten voran und machen halbe Sachen. Unser Land ist zu schön für halbe Sachen. Deshalb braucht Niedersachsen eine andere Landesregierung.

Herzlichen Dank.

veröffentlicht am 16.12.2025