Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Sebastian Lechner, anlässlich TOP 6 „Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2024 (Haushaltsgesetz 2024 – HG 2024 -) und TOP 7 Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes 2024 im Niedersächsischen Landtag
-Es gilt das gesprochene Wort-
Sehr geehrte Frau Präsidentin / sehr geehrter Herr Präsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir alle spüren, dass die Stimmung in unserem Land bei den Menschen nicht gut ist. Viele machen sich große Sorgen um die eigene wirtschaftliche und persönliche Zukunft oder die ihrer Lieben.
Vielen sind die Geschwindigkeit und die Komplexität unserer heutigen Gesellschaft zu hoch. Sie lehnen sich auf, gegen den immer schneller kommenden Veränderungsanspruch. Viele ziehen sich deshalb in das Überschaubare, das Private zurück und verabschieden sich aus dem gesellschaftlichen Einbringen und Mitmachen.
Ein erschreckend großer Teil hat das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates und der Politik verloren oder ist auf dem Weg, sie zu verlieren.
Auch, weil wir es nicht schaffen, tatsächlich spürbare Erfolge zu erzielen, die die Menschen vertrauen lassen, dass wir fähig sind, Veränderungen zu gestalten und dieses Land gut für die Zukunft aufzustellen.
Deswegen Herr Ministerpräsident, reichen wir Ihnen die Hand, gemeinsam den Stillstand in unserem Land aufzubrechen. Denn wir müssen jetzt spürbare Erfolge für unseren Menschen in Niedersachsen zu erreichen.
Ja, wir haben Stillstand:
Stillstand bei Infrastruktur
Sie wollen die Breitbandförderung stoppen. Unsere Landesstraßen sind sanierungsbedürftig. Unsere Seehäfen sind nicht vorbereitet für die Energiewende. Dabei muss alles vernünftig verbunden werden. Überall, im ganzen Land.
Stillstand beim Modernen Staat
Wir können uns nicht digital identifizieren, es gibt kaum ein Softwareprojekt in der Landesverwaltung mit dem Status grün,
Der Landesrechnungshof stellt Ihnen ein vernichtendes Zeugnis aus. Und die Kommunen fühlen sich nicht eingebunden.
Überall, im ganzen Land.
Stillstand bei Bildung
In den Kitas fehlen Erzieherinnen und Erzieher. Betreuungszeiten werden gekürzt, Kernzeiten reduziert und Gruppen geschlossen. In den Schulen fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Unterricht fällt aus, Eltern und Schüler sind frustriert und Lehrkräfte am Limit. Überall, im ganzen Land.
Stillstand in der Pflege und bei den Krankenhäusern
Bei unseren Krankenhäusern droht eine Pleitewelle. In den Pflegeheimen fehlen Fachkräfte. Viele Menschen finden für ihre Angehörigen keine Plätze, Angebote werden reduziert, das Personal ist am Anschlag. Überall, im ganzen Land.
Stillstand bei der Integration und Migration
Unsere Kommunen stehen bei der Flüchtlingsunterbringung kurz vor dem Kollaps. Es fehlen Wohnungen, Kindergartenplätze, Lehrkräfte, Sozialpädagogen. Es fehlt an Kapazitäten und Ressourcen, um die Integration zu gewährleisten. Überall, im ganzen Land.
Herr Ministerpräsident, dass ist der Sachstand,
Wir haben bei den großen Herausforderungen des Landes nach zehn Monaten Rot-Grün, Stillstand! Überall, im ganzen Land!
Chancen
Sie werfen der Opposition vor, sie würde nur Schlechtreden. Aber den Sachstand aufzählen, ist kein Schlechtreden! Dennoch haben auf der anderen Seite auch riesige Chancen.
Wir haben die Häfen, um Energie zu importieren. 50 % der Energie für Deutschland wird in Zukunft importiert werden.
Größtenteils über unsere Häfen. Alle Pipelines von Norwegen landen an Niedersachsens Küsten an.
70% der Salzstöcke Europas befinden sich auf Niedersächsischem Boden. Man kann heute nur in Kavernenspeichern in Salzstöcken Wasserstoff industriell speichern, sodass Spanien und Italien überlegen, wie sie Pipelines zu uns bauen können.
Wir haben das Gasverteilnetz, das wir in Teilen auch für den Wasserstofftransport umstellen können!
Wir haben die Fläche und das Meer, um erneuerbare Energien zu produzieren. Diese Voraussetzungen hat kein anderes Bundesland in diesen Zeiten!
Wir haben immer noch immer einen großartigen Mittelstand mit großartigen Unternehmern. Viele Menschen wollen sich nach wie vor, trotz der Stimmung, engagieren und sich jeden Tag für dieses Land einsetzen.
Wenn wir das richtig kombinieren, den Stillstand überwinden, und diese Chancen ergreifen, dann können wir unser schönes Niedersachsen zur wirtschaftlich zur erfolgreichsten Region Deutschlands machen! Das ist zumindest unser Anspruch, Ehrgeiz und Wille.
Nur dazu müssen wir jetzt auch in diesem Haushalt klare Prioritäten setzen:
Eine bessere Infrastruktur ist machbar:
Wir müssen jetzt in unsere Landesstraßen, Seehäfen und die Hinterlandanbindung investieren. Ohne den Ausbau unserer Häfen fällt der Ausbau der erneuerbaren Energien Offshore und Onshore schlicht aus.
Eine zusätzliche Milliarde, jeweils zu einem Drittel finanziert von Wirtschaft, Bund und Land, das ist ein Kraftakt, aber nur so werden unsere Häfen zu Energie-Drehscheiben der Zukunft.
Herr Wirtschaftsminister und Herr Ministerpräsident, bringen Sie von der maritimen Konferenz Geld mit und vor allem seien sie bereit, auch eigenes Geld auf den Tisch zu legen. Sonst setzten Sie falsche Prioritäten.
Ein moderner Staat ist machbar:
Wir müssen jetzt die Digitalisierung endlich zur Chefsache machen. Den Staat zu digitalisieren kann einer der entscheidenden Faktoren für unseren wirtschaftlichen Erfolg werden!
Wir waren gemeinsam in Estland, Herr Ministerpräsident. Die Esten erwirtschaften allein über ihren digitalen Staat jedes Jahr 1-2 Prozent Wachstum. Das brauchen wir auch! Aber dafür muss der moderne Staat höher priorisiert wird.
Unser Antrag auf eine Bundesratsinitiative zur Verwaltungs-digitalisierung enthält wichtige Schritte. Bei Ihnen bisher aber nur ein „Weiter so“. Sie setzen die falschen Prioritäten!
Bessere Bildung ist machbar:
Wir fordern vorübergehend flexible Betreuungsstandards bei Randzeiten und Vertretungsregelungen in den Kitas. Wir fordern, die dualisierte Ausbildung dauerhaft zu erweitern und die Vollzeit-Ausbildungsvergütung einzuführen.
Ein pragmatischer Weg. Aber unser Gesetz lehnen Sie ab.
Unseren Entschließungsantrag zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels lehnen Sie auch ab. Wann kommt endlich ein berufsbegleitendes Quereinsteiger-Studium? Wann kommt endlich ein Konzept zur Finanzierung des Ganztags?
Ihre Kultusministerin kümmert sich lieber um wasser-stoffbetriebene Mopeds, besichtigt E-Busse und guckt sich Carsharing-Projekte, sogar in meiner Heimatstadt, an. Sie setzten die falschen Prioritäten!
Eine bessere Pflege ist machbar:
Wir haben ihnen gute Vorschläge in unserem Entschließungsantrag zur Verbesserung der Pflege gemacht.
Wir fordern die Einführung einer einjährigen Pflegehelfer-ausbildung mit Zahlung einer Ausbildungsvergütung. Wir fordern, die Anerkennung ausländischer Pflegekräfte zu erleichtern und alle Pflegeausbildungsgänge in eine duale Ausbildung mit der Zahlung einer Ausbildungsvergütung umzustellen.
Wir haben in Niedersachsen die strengste Pflegeausbildung Deutschlands. Mit einer Anzahl von fünf allgemeinbildenden Fächern, die es schon im Nachbarland NRW nicht mehr gibt. Ihr Sozialminister zeigt die ganze Zeit nur mit dem Finger nach Berlin. Hoffentlich fällt ihm irgendwann auf, dass er ein eigenes Ministerium führt, mit dem man gestalten kann. Sie aber setzen die falschen Prioritäten!
Bessere Integration und Steuerung der Migration sind machbar:
Wir müssen unsere Kommunen in die Lage versetzen, den aktuellen Herausforderungen bei der Migration zu begegnen.
Wir schlagen vor, die Kapazitäten für die Sprachförderung von Flüchtlingen und für Integrationsleistungen weiter und verlässlich auszubauen.
Wir wollen, die Einrichtung einer zentralen Ausländerbehörde.
Aber Ihre Innenministerin baut lieber die Polizei nach ihren fragwürdigen Präferenzen um. Das sind die falschen Prioritäten.
Herr Ministerpräsident, wir machen ihnen jede Menge konstruktive Vorschläge. Denn wir wollen schnelle spürbare Erfolge!
Wir wollen das Vertrauen der Menschen in die Politik stärken. Aber Sie müssen auch mitmachen! Stattdessen beschimpfen Sie uns: Bei uns sei „im Himmel Jahrmarkt“.
Zu Wahrheit aber gehört: Sie bunkern Geld in der Rücklage des Landes. Sie haben nicht abgerufen, nicht mal beplante Mittel in diversen Sondervermögen dieses Landes in Milliardenhöhe.
Anstatt jetzt den Stillstand zu überwinden und die Chancen zu nutzen, bunkern sie das Geld für Wahlkampfjahre.
Ich habe den Eindruck, Herr Ministerpräsident, Sie haben selbst gemerkt, dass das zu wenig ist, um dieses Land erfolgreich zu machen und der Stimmung entgegenzuwirken. Deswegen reisen Sie jetzt auf den letzten Metern Ihres MPK-Vorsitzes nach Berlin und Brüssel und geben den besorgten Mahner.
Um das klarzustellen: Sollte dabei etwas tatsächlich Spürbares ergeben, dann werde ich das hier loben. Aber was kam bisher dabei raus:
Beim Industriestrompreis: Bisher nichts. Wie viele BR-Initiative zu diesem Thema des Landes Niedersachsen gibt es? Keine!
Klar ist nur, ihr Konzept, was sie hier in der Presse vorgestellt haben, wird nie das Licht in Berlin erblicken. Es geht jetzt nach neuesten Information eher in die Richtung, sich auf die Unternehmen zu begrenzen, die auch einen Ausgleich im Emissionshandel bekommen.
Wenn das ergänzt wird, um eine Senkung der Stromsteuer,
der Umsatzsteuer auf Strom und der Netzentgelte, dann ist das noch dieses Jahr umsetzbar und entspricht dem, was wir Ihnen im Mai dieses Jahres vorgeschlagen haben!
Bei den Krankenhäusern: Sie rufen seit Wochen nach dem Bund, er soll unterstützen. Sie kokettieren bei den kommunalen Spitzenverbänden damit, Sie würden der Reform nicht zustimmen. Wie viele Initiative des Landes Niedersachsen gibt es im Bundesrat? Keine!
Und dann beim Wolf: Auch dafür fahren Sie nach Brüssel und Berlin. Und was ist bisher geschehen: Nichts. Dabei ist klar was passieren muss: Der Bund muss gegenüber der EU den günstigen Erhaltungszustand des Wolfes melden!
Wie viele Initiativen des Landes Niedersachsen gibt es dazu im Bundesrat? Keine!
Wissen Sie eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie viele Bundesratsinitiativen diese Landesregierung in fast einem Jahr MPK Vorsitz Niedersachsens angestoßen hat? Eine, zur Finanzierung der psychotherapeutischen Weiterbildung. Nichts gegen unsere Psychotherapeuten. Wenn sie so weitermachen, dann werden wir sie bald alle brauchen.
Aber das ist für ein Jahr MPK ein sehr mageres Zeugnis und eben kein spürbarer Erfolg, den so viele im Land ersehnen.
Ihr Jahr MPK-Vorsitz war nur eine Show.
Herr Ministerpräsident, noch einmal: Wir reichen ihnen die Hand. Lassen sie uns den Haushalt jetzt zum Anlass nehmen, zu investieren, den Stillstand zu überwinden, unsere Chancen zu nutzen, die richtigen Prioritäten setzen und damit endlich schnelle Erfolge erzielen!