Rede der Parlamentarischen Geschäftsführerin Carina Hermann, Erwiderung auf die Regierungserklärung von Ministerpräsident Olaf Lies zum Automobildialog am 10.10.2025
-Es gilt das gesprochene Wort-
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Lies,
die Autoindustrie in Niedersachsen und in ganz Deutschland ist in einer tiefen Krise!
Allein in Nds. sind zehntausend Arbeitsplätze bei Volkswagen und all den Zulieferern in Niedersachsen im letzten Jahr abgebaut worden.
Schlimmer noch, es werden noch in diesem Jahr und in den nächsten Jahren zehntausende Arbeitsplätze abgebaut werden.
Und dafür tragen auch Sie – Herr Ministerpräsident – Verantwortung!
Warum? Weil Sie sich als Wirtschaftsminister 2016 einseitig auf die Strategie der Elektromobilität verständigt haben! Und keine Technologieoffenheit gezeigt haben! Und das müssen Sie sich auch eingestehen.
Wir als CDU sind froh, dass unser Bundeskanzler Friedrich Merz Verantwortung übernimmt. Wir brauchen jetzt einen Kraftakt für unsere Autoindustrie!
Im Januar hat Sebastian Lechner Friedrich Merz in Hannover ein Modell eines kleinen VW-Bulli´s mit der Bitte und dem Rat:
“Mach die Rettung der deutschen Automobilindustrie zu einem Kernanliegen Deiner Kanzlerschaft!“
Der neue Bundeskanzler versteht das – und der Autogipfel im Kanzleramt gestern war die richtige Antwort darauf.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass dieser Autodialog im Kanzleramt stattgefunden hat. Es ist gut, dass Bundeskanzler Merz den Schulterschluss mit der Automobilindustrie sucht – endlich. Und es ist auch gut, dass der Ton hörbar verändert hat. Das unterscheidet sich deutlich von dem, was wir in den Jahren der Ampel gehört haben – insbesondere aus dem Wirtschaftsministerium und dem Verkehrsministerium, aber auch vorweg vom Bundeskanzler. Das ist gut für Deutschland und Niedersachsen.
Dieser Gipfel hat ein entschiedenes Signal ausgesendet – an die Deutsche Industrie, an die Europäische Union, aber auch an rund 65 Millionen deutschen Autobesitzer. Und viele Punkte in Ihrer Regierungserklärung, Herr Ministerpräsident, sind richtig gewesen.
Der weitere Ausbau der Elektromobilität – richtig.
Steueranreize, Förderung und der verstärkte Ausbau der Ladeinfrastruktur – ebenfalls gut und notwendig. Das sind Schritte, die wir ausdrücklich unterstützen. Denn Elektromobilität bleibt eine wichtige Säule auf dem Weg zur Klimaneutralität. Aber – und das ist entscheidend – sie darf nicht die einzige Säule sein.
Herr Lies,
Sie müssen die Sozialdemokratie endlich beim Verbrenner-Aus 2035 überzeugen! Das ist Ihnen offenbar gestern in Berlin nicht gelungen. Die zentrale Frage bleibt doch: Wie stellt sich Deutschland beim Verbrenner-Aus 2035 wirklich auf?
Und genau hier, Herr Ministerpräsident, müssen Sie Ihre Sozialdemokraten und vor allem Ihren Grünen Koalitionspartner endlich in den Griff bekommen. Denn es waren auch Ihre Leute, die in Brüssel darauf gedrungen hat, den Delegierten Rechtsakt zu den E-Fuels einzufrieren.
Damit hat man bewusst den Weg zu mehr Technologieoffenheit blockiert. Range-Extender und Hybride dürfen nicht nur mit E-Fuels möglich gemacht werden, sondern generell möglich sein. Das ist das Ende des Verbrenner-Verbots – zumindest für diese Hybridformen.
Und dazu, Herr Ministerpräsident, muss man sich jetzt – wie unser Fraktionsvorsitzender schon am Mittwoch gesagt hat – endlich durchringen.
Ein weiterer Punkt: Die Beimischung synthetischer und biogener Kraftstoffe ist ein entscheidender Hebel, um unsere Klimaziele zu erreichen – ohne Millionen Fahrzeuge einfach abzuschreiben.
Aber offenbar ist auch das bei Teilen Ihrer Sozialdemokratie noch nicht angekommen. Statt anzuerkennen, dass jede Reduktion von CO₂ zählt, wird diese Lösung immer noch klein geredet.
Das zeigt: Die SPD hat in der Klimapolitik noch einen weiten Weg zum Realismus vor sich.
Und deshalb sagen wir heute ganz klar: Wir erwarten jetzt eine Landesinitiative für synthetische Kraftstoffe und Biokraftstoffe.
Die Landesregierung muss sich diesem Thema endlich aktiv annehmen, statt den Menschen zu erzählen, das sei etwas für „technisch Desorientierte“.
Das ist einfach falsch, Herr Ministerpräsident. Wir sind jetzt nicht mehr weit entfernt von einer gemeinsamen Linie.
Aber diese letzten Schritte hin zu Vernunft, Realismus und technologischem Sachverstand muss die SPD jetzt endlich gehen – im Interesse Deutschlands und Niedersachsens.
Und wenn es sein muss, Herr Ministerpräsident, auch gegen Ihren Koalitionspartner hier in Niedersachsen. Wir erleben doch hier in Niedersachsen, wie groß die Widersprüche innerhalb von Rot-Grün sind.
Auf der einen Seite inszenieren Sie sich – gemeinsam mit Markus Söder – als großer Retter der Industriearbeitsplätze, posten Bilder, sprechen von „Realitätssinn“ und „Wirtschaftswende“.
Auf der anderen Seite steht Ihr grüner Koalitionspartner, der offenbar immer noch nicht verstanden hat, dass der bisherige Kurs in der Energie-, Umwelt- und Verkehrspolitik tausende Arbeitsplätze gefährdet – gerade hier bei uns, im Autoland Niedersachsen.
Denn es geht nicht um Parteitaktik, sondern um die Zukunft einer ganzen Industrie und um hunderttausende Arbeitsplätze in unserem Land.
