
Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion anlässlich der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten mit dem Titel „Durchbruch für Investitionen in Niedersachsen“
-Es gilt das gesprochene Wort-
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
„Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen.“ Das ist eine der zentralen Lehren, die wir in diesen Zeiten ziehen müssen. Dazu braucht es mehr Personal. Mehr Material. Das richtige Mindset. Und die nötige gesellschaftliche Akzeptanz. Diese klaren Botschaften wurden uns bei unserem Besuch vor einigen Tagen beim Jägerbataillon 91 in Rotenburg vom Kommandeur General Hübner und seiner Truppe mit auf den Weg gegeben. Er hat uns auch klargemacht, dass Russland im Jahr 2029 umfassend in der Lage wäre, die NATO zu attackieren oder zu testen. Das muss nicht so kommen. Aber je stärker wir sind, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es so kommt. Und deswegen müssen wir jetzt alles daransetzen, um Frieden und Freiheit unseres Landes und Europas nötigenfalls verteidigen zu können.
Der Druck auf unser Land hat sich noch einmal deutlich erhöht – nicht nur durch die militärische Bedrohung, sondern auch, weil wir uns nicht mehr sicher sein können, ob wir im Ernstfall weiterhin auf unsere Verbündeten und die transatlantische Partnerschaft zählen können. Der Rauswurf des ukrainischen Präsidenten aus dem Oval Office hat uns dies eindrücklich vor Augen geführt. Dieses Ereignis hat auch die Debatte zwischen den möglichen Koalitionspartnern in Berlin ganz wesentlich verschoben und verändert. Gleichzeitig sind wir auch im Inneren herausgefordert durch die Verwerfungen in unserem Land, die die rechten und linken Ränder stärken und unsere Gesellschaft spalten. In dieser schwierigen Lage haben CDU/CSU, SPD und Grüne – die demokratische Mitte – letzte Woche am Dienstag und Freitag staatspolitische Verantwortung übernommen, sowohl zeitlich als auch sachlich. Damit wird ein unmissverständliches Zeichen an Deutschlands Partner, aber auch an Deutschlands Feinde gesendet. Und, Herr Ministerpräsident, damit sind wir nicht über unseren Schatten gesprungen. Denn das war wahrscheinlich die letzte Chance, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu sichern, und ich bin froh und glücklich, dass es uns gelungen ist.
Diese Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass bereits Schulden aufgenommen wurden. Vielmehr handelt es sich um die Ermächtigung, einen finanziellen Spielraum bereitzustellen, den wir eventuell benötigen. Daraus erwächst eine enorme Verantwortung, mit diesem Spielraum vernünftig und pragmatisch umzugehen. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir werden sorgfältig entscheiden müssen, wofür wir das Geld bei Militär und beim Zivil- und Katastrophenschutz tatsächlich ausgeben. Wir werden ebenso sorgfältig das Aufstellungsgesetz zum Sondervermögen gestalten müssen. Und wir werden sorgfältig entscheiden müssen, wie die möglichen Verschuldensspielräume für die Länder verteilt werden. Dabei geschieht alles stets in dem Bewusstsein, dass neue Staatsschulden eine Belastung für die Stabilität Deutschlands an den Finanzmärkten darstellen – und eine Hypothek für unsere Kinder und Kindeskinder. Und im Übrigen ist auch klar: Die Schuldenbremse gilt weiter. Sie wird nicht faktisch außer Kraft gesetzt – auch wenn SPD und Grüne sie gerne komplett enthüllt und abgeschafft hätten. Sie gilt weiter. Auch in Niedersachsen.
Und auch der Konsolidierungsbedarf in unseren Haushalten bleibt bestehen – davor darf man nicht die Augen verschließen. Durch das Kriterium der Additionalität besteht kaum die Möglichkeit, Investitionen aus dem Bundeshaushalt in das Infrastrukturvermögen zu verschieben. Es bleiben auch große Herausforderungen bei den Sozialversicherungssystemen. Herr Ministerpräsident, dazu habe ich leider nichts von Ihnen gehört. Es braucht jetzt Mut zu Einsparungen, Strukturen zu überdenken, lieb gewonnene Dinge auch zurückzunehmen – damit wir das strukturelle Defizit abbauen.
Wir werden keine Chance haben, die möglichen Mittel so einzusetzen, dass sie Wirtschaftswachstum stimulieren, ohne grundlegende Staatsreformen. Wir brauchen den Rückbau der Bürokratie, eine Modernisierung des Sozialstaates, eine Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Dazu gehört auch ein Stopp der illegalen Migration, eine Reform des Bürgergeldes und wirtschaftliche Reformen – inklusive einer Unternehmenssteuerreform. Es müssen auch die privaten Unternehmen mitziehen. Sie brauchen die Möglichkeit, ihre Kapazitäten auszubauen, selbst zu investieren, wenn wir diese großen Summen sinnvoll in unserem Wirtschaftskreislauf unterbringen wollen. Und deswegen, Herr Ministerpräsident, fordere ich Sie auf: Nehmen Sie noch ein allerletztes Mal Einfluss auf Ihre Sozialdemokraten in Berlin. Wir brauchen ab dem nächsten Jahr eine Unternehmenssteuerreform, die Investitionsanreize in Deutschland setzt.
Und ja, Herr Ministerpräsident, dieses Paket birgt auch große Chancen für Niedersachsen. Wir alle wissen um den Zustand unserer Schulen, unserer Krankenhäuser, unserer Kindergärten und unserer Straßen. Wir wissen um die Neubauprojekte von Autobahnen, die wir dringend brauchen – im Übrigen A20 und A39, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir wissen um die Notwendigkeit, Leitungen und Netze auszubauen, in erneuerbare Energien zu investieren und Speicherkapazitäten zu schaffen. Wir wissen, dass wir in unsere Sicherheit investieren müssen – in den Zivil- und Katastrophenschutz, in die Polizei und unsere Sicherheitsbehörden. Wir wissen, wie hoch der Investitionsstau ist nach den vielen Jahren SPD-geführter Landesregierung. Und deswegen bietet dieses Infrastrukturprogramm die Chance, diesen Stau abzuarbeiten. Und diese Chance wollen und müssen wir nutzen.
Allein – mir fehlt die Hoffnung, dass es mit dieser Landesregierung gelingt. Denn wenn das gelingen soll, braucht es endlich einen Paradigmenwechsel in Ihrer Haushaltspolitik insgesamt! Aktuell liegen zweieinhalb Milliarden Euro in der Rücklage. Wir fragen uns, warum Sie überhaupt neue Kredite aufnehmen wollen, wenn Sie es nicht einmal mehr schaffen, aus der Rücklage zu investieren. Meistens, weil Sie nach dem immer gleichen Muster verfahren: Erst wird ein neues Förderprogramm entworfen. Dann gestalten Sie die Richtlinien so kompliziert, dass niemand das Geld abruft. Anschließend wird dieses Geld in die Rücklage gebucht, um damit wieder ein neues Förderprogramm zu entwickeln – das natürlich wieder keiner abruft. Wenn Sie so weitermachen, wird es zu keinem Investitionsdurchbruch für Niedersachsen kommen – sondern höchstens zu neuen Rekordständen der Rücklage!
Sie haben überhaupt 2000 Förderprogramme in Ihrer Landesverwaltung. Dahinter steht der Geist, dass Sie mitgestalten wollen, wofür das Geld ausgegeben wird. Aber ich garantiere Ihnen: Sowohl bei der Ausgestaltung des Sondervermögens des Bundes als auch bei der Frage, wie wir uns hier im Land verhalten sollen, müssen wir den Kommunen, den Unternehmen, den Menschen mehr zutrauen – und ihnen auch vertrauen. Dazu muss man auch einmal Gestaltungshoheit abgeben. Ja, Sie planen Verbesserungen bei den Förderprogrammen. Sie wollen bei manchen auf Budgets umstellen und Ähnliches. Wir haben vernommen, was das Kabinett plant. Ihr neuester Plan: Die Einrichtung einer zentralen Förderstelle im Europaministerium. Damit verkomplizieren Sie den gesamten Förderprozess sogar noch weiter. Sie sind einfach nicht bereit, wirklich zu einem anderen Weg und einem anderen Prozess zu kommen.
Aber genau diesen Weg müssen Sie einschlagen. Sie müssen endlich tatsächlich entbürokratisieren – Strukturen der Verwaltung überdenken und neu denken. Das von Ihnen oftmals zitierte Programm „Einfacher, schneller, günstiger“ ist bisher ein Witz. Acht Wochen haben Sie zur Beantwortung unserer Anfrage gebraucht – mit zweimaliger Fristverlängerung –, nur um uns mitzuteilen, dass im Kern das meiste noch in der Prüfung ist. Die Verbände sind mittlerweile enttäuscht. Keine Rede von echter Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren. „Einfacher, schneller, günstiger“ wird im Land damit leider gar nichts.
Sie kommen auch nicht vorwärts, weil Ihnen der Ehrgeiz fehlt, Niedersachsen zu einem digitalen Staat zu transformieren. Wie wollen wir es sonst schaffen, diese Investitionen schnell und klug umzusetzen – auf allen Ebenen? Dazu muss man bereit sein, neue Wege zu gehen, neu zu denken, Ressorthoheiten aufzugeben, mehr einzukaufen, mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten, nicht alles selbst zu programmieren, klare Verantwortlichkeiten vorzusehen und die Kommunen mit ins Boot zu holen. All das haben wir Ihnen bereits vorgeschlagen – und trotzdem formulieren Sie jetzt einen neuen Digitalfahrplan, den Sie als großen, neuen, ehrgeizigen Weg verkaufen. Wir haben ChatGPT einmal unseren alten Masterplan Digitalisierung mit dem neuen Digitalisierungsfahrplan von Olaf Lies vergleichen lassen. Das Ergebnis: In den Formulierungen ist nur 4,6 % gleich – aber im Inhalt sind es 96,58 %. ChatGPT hat es als inhaltliches Plagiat bezeichnet.
Es ist in Ordnung, gute CDU-Politik fortzuschreiben. Das Problem ist nur: Ihnen fällt nichts Neues ein. Und Sie haben keinen Ehrgeiz, einmal grundlegend über eine digitale Revolution in Niedersachsen nachzudenken. Doch ohne diese wird es keinen Durchbruch geben.
Gleichzeitig wird es nicht gelingen, sinnvoll zu investieren in Niedersachsen, ohne die Kommunen an Bord zu holen. Immerhin: Vorgestern sind Sie endlich unserer Forderung nachgekommen, von dem Jahresüberschuss 2024 mindestens 50 % an die Kommunen zu geben – möglichst unbürokratisch und mit Entscheidungsspielraum für die Kommunen. Wir hätten es am liebsten über den kommunalen Finanzausgleich und die Verbundquote gemacht – aber ein KIP III ist auch in Ordnung. Es darf nur nicht so ausgestaltet werden, dass Sie wieder die Gestaltungshoheit halb behalten wollen. Die Kommunen müssen selbst entscheiden können, was sie mit den Investitionsmitteln vor Ort tatsächlich umsetzen!
Doch wir sind uns hoffentlich einig: Das reicht nicht. Sie haben angedeutet, dass Sie bis zum Sommer – mit Blick auf die Klausurtagung der Landesregierung – erneut mit den Kommunen über eine weitere, vielleicht auch verlässliche Finanzierung sprechen wollen. Ich erinnere daran: Diese Ankündigung machen Sie jedes Jahr. Und bisher ist nicht viel passiert. Unsere Kommunen müssen endlich auskömmlich finanziert werden. Sie sind unterfinanziert. Deswegen verlangen wir, dass Sie von den Investitionsmitteln die Hälfte an die Kommunen weiterleiten – und den gewonnenen Finanzspielraum nicht für eigene Projekte nutzen, sondern vor allem die Kommunen im Blick haben. Damit es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Erhöhung um 750 Millionen Euro bei der Steuerverbundquote in Niedersachsen kommt.
All diese Forderungen artikulieren wir gegenüber Ihnen – und sie sind richtig, Herr Ministerpräsident. Und mir ist bewusst, wie die neue Grundgesetzregelung zur Verschuldungsmöglichkeit der Länder ausgestaltet wurde. Wir haben sie im Bundestag und im Bundesrat von der Unions-Seite mit beschlossen. Doch es besteht ein ernstzunehmendes verfassungsrechtliches Risiko, wenn Sie keinen Schritt unternehmen, die Landesverfassung anzupassen. Denn unser Staat baut auf dem Bundesstaatsprinzip auf. Die Länder tragen den Bund – nicht umgekehrt. Die Verfassungsautonomie der Länder ist daher hochrangig zu gewichten. Dieses Risiko darf man nicht ignorieren! Und das ist nicht nur eine redaktionelle Harmonisierung unserer Landesverfassung, Herr Ministerpräsident. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie dieses verfassungsrechtliche Risiko ausräumt – und es nicht darauf ankommen lässt.
Und im Übrigen: Man muss als Landesregierung nicht jeden Verschuldungsspielraum nutzen. Sie sind – wie jede Regierung zuvor – verantwortlich für ordentliche Finanzen. Ein ausgeglichener Haushalt bleibt auch in Zukunft Ihre Verantwortung.
Abschließend, Herr Ministerpräsident: Sie haben eben den Investitionsdurchbruch für Niedersachsen angekündigt und Großes prophezeit. Aber wir haben heute Morgen auch alle Zeitung gelesen. Und dort wird belegt, was wir seit Jahren sagen: Sie wollen gar nicht mehr. Sie haben von Anfang an nicht mehr gewollt. Sie haben nicht die Kraft, einen solchen Investitionsdurchbruch zu organisieren. Diese Legislatur ist eine verlorene Legislatur. Denn diese Landesregierung ist eine in Altersteilzeit.
Und dass Sie nun nach 13 Jahren im Amt des Ministerpräsidenten von Ihrer Partei so aus dem Amt gedrängt werden sollen – das hätte ich Ihnen tatsächlich anders gewünscht. Sie haben es den Niedersachsen anders versprochen. Bis 2027. Und warum sollten die Grünen diesen Wechsel in der aktuellen Lage einfach so mitmachen – ohne einen Preis zu verlangen? Es gibt aus unserer Sicht nur noch zwei Möglichkeiten, redlich aus dieser Situation herauszukommen: Entweder, Herr Ministerpräsident, Sie stehen zu Ihrem Wort. Bringen Ihre Partei zur Räson. Und Ihren Wirtschaftsminister. Und finden noch einmal die Kraft, Ihr Versprechen einzuhalten. Oder: Sie treten zurück und machen den Weg frei für Neuwahlen – damit die Menschen in Niedersachsen eine neue Landesregierung wählen können, die dieser Aufgabe gewachsen ist.
Es ist keine Zeit für sozialdemokratische parteitaktische Spielchen. Auf keinen Fall kann sich unser Land eine Hängepartie bis zu einer USA-Reise im Herbst leisten – und auch dann noch zwei Jahre mit einem Ministerpräsidenten auf Abruf!
Sondern es braucht einen echten Neuanfang – der es ermöglicht, die notwendigen Reformen und den Durchbruch auch umzusetzen.
Herzlichen Dank!