Rede Sebastian Lechner -Erwiderung auf die Regierungserklärung durch die Landesregierung zu TOP 2, 3 und 4
Erwiderung auf die Regierungserklärung (Unterrichtung) durch die Niedersächsische Landesregierung und Rede zum Antrag „Kurswechsel in der Automobilstrategie – gemeinsam Volkswagens Zukunft, Arbeitsplätze und Standorte in Niedersachsen sichern“ durch den Fraktionsvorsitzen-den der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Sebastian Lechner, zu den Plenums-Tagesordnungspunkten 2, 3 und 4, am 6. November 2024
-Es gilt das gesprochene Wort-
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank für die Unterrichtung. Auch zu den Worten zu Salzgitter. Wir sehen ebenfalls aktuell keinen Anlass, uns von den Anteilen von Salzgitter zu trennen. Gleichwohl fehlen uns wie Ihnen Informationen, um die Lage ausreichend zu beurteilen.
Bei der Meyer-Werft sind wir einen solchen Weg gegangen. Auch wenn wir die Besetzung des Aufsichtsrats nicht nachvollziehen können. Ein externer Experte, auch mit Kenntnis vom Schiffsbau, vom Land entsandt hätte dem Gremium gutgetan. Wir stehen aber immer bereit für kluge gemeinsame Wege! Beim Thema Volkswagen aber fällt uns das auch nach Ihren Ausführungen heute wirklich schwer!
2. Schwierige Lage
Wir sind in Gedanken bei den vielen Menschen, die um ihren Arbeitsplatz bangen, bei VW, aber auch bei den vielen Zulieferern. Sie haben beschrieben, wie sich die Zahlen leider entwickeln. In Niedersachsen hängen rund 110.000 persönliche Schicksale von VW ab. Nicht zu vergessen die weiteren rund 150.000 Menschen, die in der Zulieferindustrie beschäftigt sind. Und nicht nur diese, sondern auch Familien, Gewerbe, Einzelhandel, Kommunen, etc. VW ist ein wirtschaftliches Standbein, das wir einfach nicht verlieren dürfen. Noch ist die Krise ist nicht existenziell, aber wir dürfen keine weitere Zeit verlieren.
Jeder muss jetzt seinen Beitrag leisten – Management, Landesregierung, Mitarbeiter und Politik – dann können wir gemeinsam diese Krise überwinden!
3. Beitrag des Managements
Die Kosten müssen runter, das wird sich nicht vermeiden lassen. Und es würde sicher zu Glaubwürdigkeit beitragen, wenn auch das Management als gutes Vorbild vorangeht. Aber es braucht auch eine Vorwärtsstrategie. Ich kann verstehen, wenn das aktuell als zu einseitig wahrgenommen wird. Das Management muss sich jetzt gerade mit Blick auf die Produktentwicklung und das Portfolio überdenken. Es braucht wieder einen wirklichen „Volkswagen“. Das war immer die Stärke von VW. Damit das im Bereich Elektro-Autos gelingt, kommt es ganz wesentlich auf die Batterie an. Sie beeinflusst 40% der Kosten des Autos. Ich war gerade in Salzgitter bei PowerCo und habe mir den Stand der neuen Fabrik dort angeschaut. Hier liegt einer der Schlüssel und große Hoffnungen! Deswegen fehlt mir allerdings auch jedes Verständnis dafür, Herr Ministerpräsident, dass die von Ihrer Partei angeführte Bundesregierung trotz ihrer Resolution die Forschungsmittel für die Batteriezellenforschung gestrichen hat.
4. Strategieöffnung
Es braucht also eine bessere Produktstrategie, aber eben auch eine bessere Strategie. Keine Abkehr von der Elektromobilität. Das haben wir nie gesagt, dass wir das wollen, auch wenn Sie das immer so interpretieren. Der Weg in die Elektromobilität ist richtig. Das autonome Auto wird anders kaum realisierbar sein. Aber in der Art und Weise und der Rigorosität hat es eben nur VW 2016 beschlossen und vorgenommen. Und es gehört zur Wahrheit: Unter freundlicher Begleitung der damaligen rot-grünen Regierung. Das spüren jetzt die Mitarbeiter und das ganze Land!
5. Der Markt ist einfach anders und wird es noch lange bleiben
Ein Unternehmen muss sich mit seinen Produkten auf den Markt einstellen. Regelmäßig ist es das Ende eines wirtschaftlichen Unternehmens, wenn es versucht, den Markt nach seinen Produkten zu erziehen! Herr Ministerpräsident, Sie fahren privat, wie wir in der NOZ erfahren durften, einen schwarzen Golf Verbrenner. Pläne, diesen durch ein Elektroauto zu ersetzen, gibt es bisher nicht. Denn es findet sich kein passendes Elektroauto, auf das Sie sich mit Ihrer Frau verständigen könnten. Und ich will Sie dafür jetzt gar nicht brandmarken. Denn mir geht es auch nicht anders. Wir fahren privat einen Sharan. Damaliges Kaufargument: Es ist ein für eine große Familie bezahlbares Auto und eines der ganz wenigen, in das drei Kindersitze auf der Rückbank nebeneinander passen. Und bis heute haben auch wir noch keine wirkliche Alternative…
Und damit sind wir dann in bester Gesellschaft in Deutschland und Europa. Immerhin können wir beide uns vorstellen, ein Elektroauto zu kaufen. 78% der Deutschen tun nicht mal das. Und 34% derer, die ein Elektroauto haben, wollen gerne wieder einen Benziner fahren. Das ist der Markt, den wir aktuell vorfinden. Das kann man beklagen. Das kann man bejammern. Aber es ist so. Und ein VW-Konzern hat die Aufgabe, sich darauf einzustellen! In den USA, in China und eben auch in Europa! Denn es geht hier um Arbeitsplätze. Um Wertschöpfung. Um die Zukunft des Konzerns.
6. Erfolgreichere Strategie
Und es gibt eben auch deutsche Konzerne, die das besser machen. Zum Beispiel BMW. Bei deren Kernmarke lag die Zahl der ausgelieferten Neuwagen über der des Vorjahreszeitraums. Dort wurde nicht angekündigt Standorte zuschließen oder betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. Oliver Zispe, sagt, sie bauen so lange Verbrenner, wie es dafür eine Nachfrage gibt. Und trotzdem ist dieser Konzern weiter bei der Elektromobilität. Dort ist es gelungen, den Anteil der Elektrofahrzeuge in seiner Flotte stärker auszubauen. Sie halten die Flottengrenzwerte im nächsten Jahr ein. Das ist doch erstaunlich, oder Frau Hamburg? Die Strategie ist technologieoffener und trotzdem erfolgreicher!
Volkswagen ist kein Vehikel für die Umsetzung falscher politischer Vorstellungen, sondern ein Wirtschaftsunternehmen, das vielen Menschen Arbeit gibt und Wohlstand erwirtschaftet für dieses Land! Das ist seine Aufgabe und nichts anders!
7. Beitrag der Landesregierung
Erste Anzeichen gibt es für diesen Strategiewechsel. In den USA setzt VW auf mehr Hybride, gerade auch mit der neuen Marke Scout. Porsche tut das schon immer und will es jetzt verstärken. In China will die Kernmarke auch mehr Hybride, auch moderne Formen von Hybriden mit unserem Joint-Venture-Partner bauen. Elektroautos, die einen kleinen Verbrenner-Motor haben, der nicht mehr das Auto antreibt, aber die Batterie kühlt, wärmt und auflädt, sind das am stärksten wachsende Segment in China! Nicht die reinen Elektroautos. Darauf muss man sich einstellen, und die Öffnung, die wir da wahrnehmen, ist der richtige Weg!
8. Neuaufstellung des Beteiligungsmanagements
Deswegen hat das Management jetzt Aufgaben, eine bessere Strategie zu finden. Aber hier jede Schuld abzuladen, ist ebenfalls unredlich! Denn Sie haben auch die Aufgabe als Landesregierung, das Management dabei jetzt endlich zu unterstützen! Sie sind, Herr Ministerpräsident, neben Herrn Dies, der Hauptverantwortliche für diese einseitige und rigide Ausrichtung von VW! Und ich hätte mir gewünscht, Sie hätten das heute auch mal in der Unterrichtung angedeutet, dass es vielleicht auch Bedarf gibt, sich selbst zu überdenken im Angesicht dieser Krise! Sie haben eine Sperrminorität bei VW, Sie sitzen im Präsidialausschuss seit 11 Jahren. Wenn dann Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen drohen, hat man nicht alles richtig gemacht, Herr Ministerpräsident! Dann hat man etwas falsch gemacht! Aber dazu heute kein Wort!
9. Aufstellung Beteiligungsmanagement
Symptomatisch dafür ist auch Ihre Aufstellung bei VW. Der Wirtschaftsminister hat heute im Wirtschaftsausschuss zu VW unterrichtet. Falsche Person, falscher Platz. Denn er sitzt gar nicht im Aufsichtsrat. Daraus lernen wir, dass wir demnächst im Kultusausschuss die Unterrichtungen zu VW beantragen werden. Dort kann dann zwischen der Unterstützung für die Kita und dem Unterrichtsausfall die Kultusministerin als AR-Mitglied kurz über VW unterrichten… Das müssen Sie doch merken, wie absurd das ist. Genauso, dass wir genau zwei Mitarbeiter im Kultusministerium und 3 in der Staatskanzlei haben, die das Beteiligungsmanagement betreuen? Ich habe das Gefühl, dass andere Anteilseigner da geringfügig anders aufgestellt sind…
Herr Ministerpräsident, ziehen Sie Frau Hamburg aus dem Aufsichtsrat ab. Nehmen Sie einen Experten mit rein. Ziehen Sie das komplette Beteiligungsmanagement in die Staatskanzlei. Stärken Sie es, auch mit mehr externer Beratung. Diese Krise braucht auch im Land einen echten Neustart!
10. Neutralität als Stil bei der Ausübung
Und es geht auch um den Stil. Aufsichtsräte dürfen einzig und allein die Interessen des Volkswagenkonzerns im Blick haben. Und als besonderen Aspekt der Strukturpolitik für Niedersachsen müssen die Vertreter des Landes auch das Wohl der Menschen in Niedersachsen im Blick haben, wie es ihr Eid vorgibt. Um diesem Ziel gerecht zu werden, muss man mal mit der Arbeitnehmerseite gehen und mal mit der Arbeitgeberseite. Am besten moderiert man beide Seiten auf eine erfolgreiche gemeinsame Strategie.
Ist Ihnen aufgefallen, wie viele Kommentatoren, Wissenschaftler und Experten Sie, Herr Ministerpräsident, verdächtigen, sich zu oft nur mit einer Seite gemein gemacht zu haben? Da muss man doch mal nachdenken, ob man die Beteilung richtig gemacht hat. Ihr Beitrag ist es jetzt, die Beteiligung neutral, frei von politischen Vorstellungen, nur zum Wohl des Konzerns, seiner Mitarbeiter und des Landes Niedersachsen zu führen und Volkswagen auf einen guten Weg zu bringen! Das ist die Verantwortung, der Sie gerecht werden müssen!
11. Beitrag der Mitarbeiter
Und ja, für den erfolgreichen Weg müssen auch alle Tarifparteien jetzt einen Beitrag leisten. Ich kann mir vorstellen, was in vielen Mitarbeitern gerade vorgeht. Man ist vielleicht Verpflichtungen eingegangen. Häuser müssen finanziert, Kredite abbezahlt und Neuanschaffungen storniert werden. Und es ist völlig unklar, wie es weitergeht. Da hat man große Existenzängste. Wir wollen und verlangen, dass es zu keinen Standortschließungen kommt. Und wir müssen betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Das ist doch oberste Priorität.
Aber jedem Mitarbeiter, mit dem ich spreche, ist auch klar, dass, wenn wir diese Ziele erreichen wollen, auch die Mitarbeiterschaft in dieser Situation einen Beitrag leisten muss. Wie der konkrete Beitrag aussehen wird, vermag auch ich nicht zu sagen. Dafür schätze ich auch zu sehr die Tarifautonomie. Aber ich hoffe sehr, dass Management und Mitarbeiterschaft hier einen gemeinsamen Weg finden werden. Es steht zu viel auf dem Spiel, als dass es jetzt in wochenlange Streiks ausartet. Deswegen, Herr Ministerpräsident, führen Sie das jetzt zusammen und zu einem guten Ende!
12. Beitrag der Gesetzgebung – politische Strategie
Und schließlich müssen auch wir als Gesetzgeber unseren Beitrag leisten. Beim letzten Mal haben Sie sich noch zusammenreißen können, aber nun haben Sie sich auch dieses Unsinns bemächtigt, alle die eine andere Regulierung fordern, würden die Menschen verunsichern. Ich habe viele Umfragen gesehen, warum die Menschen bei der Elektromobilität zurückhaltend sind. Wissen Sie, was da nie vorkommt? „Die Opposition würde die Menschen verunsichern“… Ich habe von Ihnen noch keinen Beleg dafür gesehen, dass die Diskussion irgendjemanden vom Kauf eines Elektroautos abhält. Es geht um die Kosten des Autos, um Strompreise, um die Ladesäuleninfrastruktur, um den hohen Wertverlust. Es ist ein reines Schutzargument, um sich der Wahrheit nicht stellen zu müssen, dass ihre Strategie gescheitert ist!
13. Ziel fokussieren
Wenn ich Sie so sehe und auch Ihre Resolution lese, kommt es mir vor wie bei Huckleberry Finn und Tom Sawyer. Dort gibt es einen schönen Satz, der lautet: „Und weil sie das Ziel aus dem Auge verloren, verdoppelten sie die Anstrengungen…“
Lassen Sie uns lieber das Ziel wieder ins Auge nehmen! Das Ziel war immer und ist es, bis 2045 klimaneutral in der EU zu werden. Man kann sich aber auch auf den Weg in die Klimaneutralität machen, ohne die Neuzulassung von Verbrennern ab 2035 zu verbieten. Übrigens machen das alle beiden anderen großen Automärkte so. Ein solch striktes und einseitiges Regularium, wie wir es unserer Autoindustrie in Europa und Deutschland auferlegen, gibt es in den anderen beiden großen Automärkten nicht. Und ich zitiere gerne nochmal den CEO der südlichen Automarke: Er sagt, er halte eine so umfassende Regulierung des Marktes wie in Europa für schlicht naiv! Und ich füge hinzu: gefährlich.
14. Unser Konzept
Wenn 2035 die Flottengrenzwerte von Null greifen, sind auch alle modernen Formen des Hybriden wie Range-Extender nicht mehr neu zulässig. Den bauen wir dann zwar weiter in China, aber nicht mehr in Europa… Unser Konzept ist – passen Sie auf, Herr Tonne, damit Sie nicht gleich wieder behaupten, wir hätten nichts vorgeschlagen: Neben dem CO2-Zertifikatehandel braucht es keine weiteren Vorgaben. Synthetische Kraftstoffe müssen als emissionsreduzierende Option in den Emissionshandel integriert werden. Wir zahlen aus den Einnahmen des Emissionshandels einen sozialen Ausgleich, finanzieren den Ausbau der Ladeinfrastruktur und etablieren eine verlässlich über Jahre andauernde Förderung aller Steckerautos über den Klimatransformationsfonds. Und fördern auch weiter die Batterieforschung in Salzgitter! Dieses Konzept bietet auch Planungssicherheit. Aber im Gegensatz zu Ihrer Strategie ist es machbar!
15. MPK-Konferenz
Und trotzdem haben unsere Ministerpräsidenten auch wegen des Konsensprinzips den gemeinsamen MPK-Beschluss mitgetragen. Wir wären aber gerne viel weiter gegangen. Aber das war mit Ihnen nicht zu machen. Und der beschlossene Weg wird auch nicht ausreichen. Deswegen fordere ich Sie jetzt auch hier auf, sich nochmal zu überdenken! Lassen Sie uns die ganze Regulierung auf europäischer Ebene so überarbeiten, dass wir nicht jedes Jahr die gleiche Debatte führen, sondern unserer Autoindustrie einen verlässlichen, aber machbaren Weg in die Klimaneutralität weisen!
16. Schluss
Meine Damen und Herren, jetzt müssen alle ihren Beitrag leisten – Management, Mitarbeiterschaft, die Landesregierung und wir als Gesetzgeber! Die Krise bei VW ist überwindbar. Jetzt können wir gemeinsam umsteuern. Im Sinne der Mitarbeiter und der Menschen in unserem Land. Und wenn wir das jetzt tun, bin ich zuversichtlich, dass wir gemeinsam VW so aufzustellen, dass er eine gute Zukunft haben wird! Gehen wir es jetzt an!