Rede des Medienpolitischen Sprechers Jens Nacke zu TOP 29 und TOP 30 „Öffentlich-rechtlichen Rundfunk“

-Es gilt das gesprochene Wort-

Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Medienlandschaft und der Rundfunk unterliegen einem rasanten Wandel. Informationen erreichen die Mediennutzerinnen und Mediennutzer auf sehr unterschiedlichen Übertragungswegen und über sehr unterschiedliche Endgeräte. Das eigene Smartphone steigt in der Bedeutung. Das klassische Fernsehen in gemeinsam genutzten Wohnräumen tritt in den Hintergrund.

Der Konsum von Unterhaltungsangeboten wie Filmen und Serien erfolgt zunehmend in non-linearen Mediatheken und bei Streamingdiensten. In den sogenannten sozialen Medien verschwimmen die Grenzen zwischen Unterhaltung, Information und Kommunikation von Bewegbild und Text. Die individuelle Auswahl aus den Angeboten überwiegt inzwischen gegenüber dem gemeinsamen Medienerlebnis. Häufig genug unterstützt durch die technische Beschränkung aufgrund des eigenen Konsumverhaltens.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk hat in dieser neuen Medienlandschaft seinen Platz und eine wichtige Aufgabe. Auch in den neuen Formen der Mediennutzung braucht es Angebote, die unabhängig vom marktwirtschaftlichen Druck zur Verfügung gestellt werden können, weil sie ansonsten aufgrund eines hohen Herstellungsaufwandes oder eines nur geringen Konsumenteninteresses nicht produziert werden würden.

Die Öffentlich- Rechtlichen Angebote müssen dabei auf allen Plattformen zu finden sein, auch wenn diese häufig von privaten Anbietern zur Verfügung gestellt werden. Keine leichte Aufgabe mit denen sich die verantwortlichen Personen in den Sender und die Gremien schon jetzt jeden Tag befassen.

Der Öffentlich- Rechtliche Rundfunk hat allerdings ein großes Problem. Um sich auf den schnellen Wandel in der Medienwelt einstellen zu können bräuchte es moderne gesetzliche Regelungen über seine Aufgaben und seiner Struktur. Leider haben sich die Länder in diesem Punkt als unfähig erwiesen, die notwendigen Änderungen vorzunehmen! Und das geht insbesondere zu Lasten Niedersachsens.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die CDU-Fraktion legt heute zwei Anträge vor, damit wir uns mit diesen wesentlichen Fragen in diesem Parlament und in den Ausschüssen befassen werden. Die Anträge richten sich dabei an unterschiedliche Adressatenkreise.

Im ersten Antrag geht es um die ständige Frage nach der Angemessenheit der Finanzierung des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk und die Höhe des Rundfunkbeitrages. Dieser Antrag richtet sich an die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in der Rundfunkkommission. Der Ministerpräsident wäre hier aufgefordert, die Interessen den Landes Niedersachsen klarer zu vertreten. Eine ausgesprochen schwierige Materie. Aber ich will versuchen, die Problemlage zu erklären.

Der Finanzbedarf der jeweiligen Sender ergibt sich aus Ihrem jeweiligen gesetzlichen Auftrag. Dieser Auftrag wird vom jeweiligen Landesgesetzgeber bestimmt. Für Niedersachsen ist das der NDR-Staatsvertrag, der vom Landtag beschlossen wird. So regelt § 3 die Landesprogramme der Landesfunkhäuser. Ein landesweites Hörfunkprogramm, also NDR 1 mit Regionalfenstern, ein Regionalprogramm im Fernsehen, also 18.00 Uhr und hallo Niedersachsen, also 45 Minuten. Mehr nicht.

Es sind die gleichen Regelungen für alle vier Vertragsländer. Keine Unterscheidung zwischen dem großen Niedersachsen und den kleineren Vertragsländern. Die Versorgung der acht Millionen Niedersächsinnen und Niedersachsen ist schlechter als in jedem anderen Bundesland. Das Gesetz über den hessischen Rundfunk sieht beispielweise im § 2 sechs Hörfunkprogramme und ein drittes Programm vor. Allein für Hessen. Beispiel des größeren Baden-Württemberg § 3 des Staatsvertrages über den Südwestrundfunk: zwei Landeshörfunkprogramme, eines mit informationsbetontem Angebot SWR 4 Baden-Württemberg, eines, das der Darstellung der Regionen dient, SWR 1 Baden-Württemberg. Mindestens 30 Prozent des gemeinsamen Fernsehprogramms, heute etwa 3 Stunden nur für Baden-Württemberg.

Nordrhein- Westfalen kennt 11 unterschiedliche Lokalzeiten mit je 30 Minuten. So wird der Auftrag aus § 4 des WDR Gesetzes erfüllt, der regionalen Gliederung des Landes Rechnung zu tragen. So könnte ich alle anderen Länder durchgehen. Kein Land ist schlechter mit landesspezifischen Angeboten versorgt als Niedersachsen.

Die Länder regeln also in eigener Zuständigkeit die gesetzlichen oder staatsvertraglichen Aufgaben der Sendeanstalten. Die Kosten für diese Entscheidung werden aber nicht durch die beitragspflichtigen Personen des jeweiligen Bundeslandes oder Sendegebietes getragen. Die Kosten werden aufgrund sehr vereinfacht gesagt addiert und durch alle geteilt. Im Ergebnis bezahlen damit die Niedersachsen damit die bessere Versorgung in den anderen Bundesländern, die durch fremde Gesetzgeber festgelegt wurde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

diese sogenannte Konzernbetrachtung der ARD ist unfair. Sie verhindert eine moderne Definition des Auftrages und den sparsamen Umgang mit den Finanzmitteln. Niedersachsen ist hier gefordert, denn Niedersachsen ist in diesem System der Verlierer. Dieses Verfahren kann aber nur durch eine gemeinsame Änderung der Verträge durch alle Bundesländer geändert werden. Da einige Länder naturgemäß vom System profitieren haben sie an einer anderen Vereinbarung kein Interesse.

Dies gilt insbesondere für Sender mit einem sehr kleinen Sendegebiet. Wir sind nicht bereit, diesen Umstand länger hinzunehmen. Wir wollen hier eine Reform, die im Wesentlichen dem Gedanken folgt, dass derjenige die Musik bezahlt, der sie auch bestellt, beziehungsweise den Auftrag ins Gesetz schreibt. Wenn die niedersächsischen Interessen in diesen Vereinbarungen weiterhin nicht beachtet werden, muss das Land in letzter Konsequenz auch bereit sein, den Medienstaatsvertrag zu kündigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie zu Beginn meiner Rede dargestellt ist der Zeitpunkt für Reformen besonders gut gewählt. Niedersachsen muss jetzt seine Interessen formulieren und seine Forderungen geltend machen. Die Reformunfähigkeit der Rundfunkkommission würde nämlich ansonsten dazu führen, dass versucht wird, die Struktur der Sender in die non-lineare Welt zu übertragen. Hier knüpft der zweite Antrag an, der sich insbesondere an die Staatsvertragsländer des NDR richtet.

In Zukunft wird es nämlich nicht mehr entscheidend sein, Sendungen zu produzieren, die in einem Programm linear aneinandergereiht werden. Die Zukunft gehört dem Content. Produktion wird wichtiger als Programm. Journalistinnen und Journalisten in der Fläche, die Land und vor allem Leute kennen, werden den Unterschied ausmachen. Sie sind das Alleinstellungsmerkmal, das auch zukünftig die Angebote des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks wertvoll machen.

Aus unserer Sicht bietet der Übergang der öffentlich-rechtlichen Angebote in die Welt der Plattformen und Mediatheken die Chance, die bestehende Benachteiligung Niedersachsens zu beseitigen. Wir möchten für die Zukunft eine Sichtbarkeit unseres Bundeslandes. Wir möchten Berichte in Bild und Ton aus allen Teilen Niedersachsens, die deutlich über die bisherigen Angebote hinausgehen.

Wir möchten Reportagen aus Niedersachsen und fiktionale Angebote, die in Niedersachsen spielen. Wir möchten, dass Niedersächsische Produktionsfirmen im ganzen Land profitieren. Wir möchten eine Beteiligung niedersächsischer Vertreterinnen und Vertreter in den Gremien des NDR, die der Größe des Landes im Sendegebiet gerecht werden.

Herr Ministerpräsident,

wir kennen Ihre Eigenart, Herausforderungen nur dann anzugehen, wenn es sich beim besten Willen nicht mehr vermeiden lässt. In dieser Frage gibt es aber kein Ministerium, dass Ihnen die Arbeit abnehmen kann. Hier sind Sie selbst gefordert. Vertreten Sie die niedersächsischen Interessen. Kümmern Sie sich um eine angemessene Versorgung des Landes mit Angeboten des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks. Lassen Sie die Chance, die sich bietet, nicht durch Untätigkeit verstreichen.

veröffentlicht am 17.05.2024