Rede der Parlamentarischen Geschäftsführerin, Carina Hermann, anlässlich der Einsetzung eines 25. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses – „Gehaltsaffäre in der Niedersächsischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Weil“
-Es gilt das gesprochene Wort-
Frau Präsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
wir werden heute auf Antrag der CDU-Faktion die Einsetzung eines 25. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Gehaltsaffäre in der Niedersächsischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Weil beschließen, der seine Arbeit dann morgen aufnehmen wird.
Es wird der erste Untersuchungsausschuss in Niedersachsen seit 7 Jahren sein.
Es wird aber auch der 4. Untersuchungsausschuss in der Amtszeit einer von Ministerpräsident Weil geführten rot-grünen Landesregierung sein.
7 Jahre erscheinen lang. Aber 5 Jahre davon haben Sie mit der CDU regiert, Herr Ministerpräsident. 5 Jahre hatten Sie einen Koalitionspartner mit dem sowas nicht passiert wäre.
Finanzminister Reinhold Hilbers hätte in den Zeiten der Großen Koalition so ein Theater für die Beförderung von nur einer einzigen Person nie und nimmer zugelassen. Das hätte Ihre Büroleiterin und das hätte Sie auch vor sich selbst geschützt, Herr Ministerpräsident.
Und ich kann es Ihnen gleich zu Beginn nicht ersparen, Herr Kollege Siebels. Bei der Debatte im März zur Einbringung des PUAs haben Sie auf die drei Untersuchungsausschüsse zu Zeiten der ersten rot-grünen Regierung von Stephan Weil Bezug genommen, ich zitiere Sie aus dem Protokoll:
„Man kann sich die drei vergangenen Untersuchungsausschüsse mal ein bisschen genauer angucken – einer zum Thema Paschedag, einer zum Thema Salafismus, einer zum Thema Vergabe -: alles Unsinn; alles ohne Substanz; Rücktritte en masse gefordert; nichts belegt; komplett sinnlos.“
Zitat Ende.
Es ist schon spannend, was Sie unter „alles Unsinn und komplett sinnlos“ verstehen.
Herr Minister Meyer, sagen Sie uns, warum musste Ihr damaliger Staatssekretär Paschedag 2013 im Landwirtschaftsministerium nach nur wenigen Monaten im Amt zurücktreten? Ich kann es Ihnen beantworten.
Auf meine Kleine Anfrage vom 21. März antwortete die Landesregierung: „Entfall der Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Diskussionen u. a. über die Beschaffung eines Dienst-Kfz“
Herr Ministerpräsidenten, bitte sagen Sie uns, warum musste eigentlich Ihr ehemaliger Staatssekretär Rüter 2017 das Amt verlassen?
Ich lese Ihnen gerne wieder die Antwort der Landesregierung vor: „vergaberechtliche Unregelmäßigkeiten in der Landesvertretung des Landes Niedersachsen in Berlin, für die Herr Rüter als Staatssekretär und damit Organisationsverantwortlicher die Verantwortung trug“
Und der Vollständigkeit halber:
Herr Minister Lies, warum musste eigentlich Ihre damalige Wirtschafs-Staatssekretärin, die heutige Innenministerin Behrens, 2017 zurücktreten?
Ich lese Ihnen gerne erneut die Antwort der Landesregierung vor: „vergaberechtliche Unregelmäßigkeiten im MW, für die Frau Behrens als Staatssekretärin und damit Organisationsverantwortliche die Verantwortung trug“
Alles sinnlos, alles ohne Substanz also?
Wenn das die Analyse zu den vergangenen Untersuchungsausschüssen ist, sollte sich Staatssekretär Mielke wohl schon einmal Gedanken machen, meine Damen und Herren!
Bevor Sie von der SPD uns vorwerfen, wir würden ohne Anlass Untersuchungsausschüsse leichtfertig vom Zaun brechen, sollten Sie nochmal genauer in die Geschichtsbücher gucken! Und auch bei der jetzigen Gehaltsaffäre des Ministerpräsidenten sollten Sie nochmal in sich gehen!
Denn was haben wir in den vergangenen Monaten erlebt?
Es gab unsere Dringliche Anfrage im Dezemberplenum, bei der wir zur Kenntnis nehmen mussten, dass der Ministerpräsident sich unseren Fragen nicht selbst stellen wollte. Wir haben stattdessen einen grünen Finanzminister erlebt, der in die Rolle des Verteidigers für den Ministerpräsidenten gedrängt wurde und dabei mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet hat.
Wir haben dann im Januar bzw. Februar zwei denkwürdige Sitzungen des Haushaltsausschusses erlebt, bei denen der Finanzminister, der Chef der Staatskanzlei und die Finanz-Staatssekretärin nicht in der Lage waren, plausibel zu erklären, warum die Staatskanzlei trotz aller Warnungen nicht von der Beförderung ablassen wollte, dann die Regeln änderte und die Büroleiterin des Ministerpräsidenten auch noch rund 10 Tage vor dem Inkrafttreten einer eigens für sie geschaffenen Neuregelung turbobefördert wurde. Und dann auch noch für mehr als ein Vierteljahr rückwirkend.
Den Höhepunkt der Unverfrorenheit mussten wir dann bei der Befragung des Ministerpräsidenten im Februar erleben.
Herr Ministerpräsident, da hätten Sie persönlich die Möglichkeit gehabt, im Landtag mit all den offenen Fragen aufzuräumen!
Sie hätten die Möglichkeit gehabt, zu erklären, ja, meine Staatskanzlei und ich haben schwere Fehler gemacht.
Nichts dergleichen haben wir von Ihnen gehört. Im Gegenteil. Es ist noch nicht mal ein Unrechtsbewusstsein bei Ihnen erkennbar gewesen.
Meine Damen und Herren von SPD und Grünen, die Verantwortung für die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses trägt nicht die Opposition.
Die Verantwortung dafür tragen einzig und allein dieser Ministerpräsident und diese rot-grüne Landesregierung!
Und als der öffentliche Druck dann größer wurde, Herr Ministerpräsident, unternehmen Sie den untauglichen Versuch einer Erklärung in der NOZ.
In der Zeitung. Nicht hier im Parlament. Aber das Einzige, was in diesem Interview deutlich wurde ist, dass Sie ausschließlich die Tatsache bereuen, dass Sie Ihre Dreistigkeit nicht besser versteckt haben.
In der Sache keine Demut, keine Reue, keine Entschuldigung! Bis heute nicht. Das wäre aber angezeigt gewesen, Herr Ministerpräsident. Denn Ihr Vorgehen war falsch!
Und das sehen nicht nur wir so:
Das sehen die Bediensteten beim Land so!
Das sieht in Wahrheit Ihr grüner Koalitionspartner so.
Und das sehen vor allen Dingen die Steuerzahlerinnen und -zahler so!
Und ich kann Ihnen auch sagen, warum das so ist:
Ihr Vorgehen wird als große Ungerechtigkeit empfunden.
Und um das auch nochmal deutlich zu sagen:
Es geht hier nicht um das Alter der Büroleiterin.
Es geht darum, dass jemand, der nicht einmal ein Jahr lang einen Master-Abschluss vorweisen kann, also nicht einmal ein Jahr überhaupt auch nur A13 hätte verdienen dürfen, mit B2 mehr verdient als die Schulleitung eines großen Gymnasiums oder die Leitung einer Justizvollzugsanstalt.
Fragen Sie mal die Beschäftigen im Land, wie jemand, der gerade seinen Master in der Tasche hat, regelmäßig bezahlt wird: EG 13 oder EG 14 ist da das höchste der Gefühle. Nicht EG 15 und erst recht nicht B2!
Und viele, viele Menschen im Landesdienst erfüllen mindestens die erforderlichen Standzeiten und oftmals auch noch Jahre darüber hinaus,
bevor sie befördert werden!
Hier öffnet das Parteibuch alle Dämme! Und das ist so unfair, leistungsfeindlich, deprimierend für Zehntausende engagierte auf Fairness vertrauende Landesbedienstete.
Niemand kann es wollen, dass der Ministerpräsident zur Gutsherrenart übergeht. Und das, Herr Ministerpräsident, ist die große Ungerechtigkeit!
Und dann wollten Sie uns von Anfang an die Geschichte erzählen, es sei Ihnen um eine Attraktivitätssteigerung des Öffentlichen Dienstes und um Nachwuchsgewinnung gegangen. Aber darum ging es Ihnen in Wahrheit nicht.
Und das wird der Untersuchungsausschuss beweisen!
Für Führungsämter A16 und B2 gab und gibt es überhaupt kein Personalproblem in den Ministerien! Und nur dafür haben Sie die Regeln geändert!
Es ging Ihnen nicht um diejenigen, die sich seit Jahren für das Land engagieren und ihren Dienst gewissenhaft tun. Es ging Ihnen auch nicht um einen besseren Quereinstieg.
Es ging Ihnen einzig und allein darum, Ihre Büroleiterin höher zu vergüten. Ungeachtet der Vita, ungeachtet der erworbenen Qualifikationen. Es ging Ihnen um nichts anderes.
Und dazu haben Sie Ihren grünen Finanzminister mit Nachdruck angewiesen, die Erlasslage zu ändern. Und weil es Ihnen nicht schnell genug gehen konnte, haben Sie nicht einmal abgewartet, bis der Erlass vom Finanzministerium auch allen anderen Ministerien bekannt gemacht wurde, sondern haben die Beförderung schon vorher mit der Brechstange durchgedrückt. Und das, Herr Weil, ist eines Ministerpräsidenten schlicht und ergreifend unwürdig.
Dieser 25. Untersuchungsausschuss wird deshalb aufarbeiten, welche Rolle Sie und der Chef der Staatskanzlei dabei gespielt haben, ihrer Büroleiterin zu einer Besoldung von rund 2.000 € monatlich mehr zu verhelfen, die ihr nicht zusteht.
Dieser Untersuchungsausschuss wird aufarbeiten, warum Sie sich über die eindeutigen Ergebnisse einer entsprechenden Prüfung im Finanzministerium und auch über Bedenken in Ihrer Staatskanzlei hinweggesetzt haben und von der Beförderung nicht ablassen wollten.
Dieser Untersuchungsausschuss wird aufklären, welche Motivlage Sie getrieben hat, als oberster Dienstherr aller Landesbediensteten die Erlasslage für Beförderungen ändern zu lassen, um nur ein Ziel zu erreichen: Ihrer persönlichen Büroleiterin einen erheblichen und sogar rückwirkenden Gehaltssprung zu gewähren.
Meine Damen und Herren,
es gelten durchaus strenge, aber einheitliche Voraussetzungen für einen Aufstieg in der Ministerialverwaltung. Wer sich für einen Dienst als Beamter oder Beschäftigter entscheidet, weiß das auch.
Dafür erhält man eine gewisse Sicherheit. Sicherheit in Bezug auf den Fortbestand seiner Beschäftigung, Sicherheit in Bezug auf eine positive Lohnentwicklung, gekoppelt auch an die Dienstjahre.
Eine Karriere im öffentlichen Dienst ist wie ein Marathon. Alle starten bei Kilometer Null, doch jeder wählt sein eigenes Tempo. Wer schneller laufen kann und will, kann das Ziel früher erreichen als andere. Jüngere Führungskräfte gibt es deshalb auch. Aber immer nach den gleichen Spielregeln und nicht ein ¾ Jahr nach dem Erwerb des Masters.
Gute Leistungen über die gesamte Distanz werden belohnt. Beim Marathon passt die Rennleitung auf, dass alle nach denselben Regeln laufen. Bei den Bediensteten des Landes wacht die Landesregierung über die Einhaltung der Bestimmungen. Jedenfalls sollte es so sein!
Unser Eindruck ist, Herr Ministerpräsident, dass Sie sich nicht mehr an die Spielregeln halten wollen. Sie haben Ihre Büroleiterin nicht von Kilometer Null oder 10 starten lassen, sondern 100 Meter vor dem Ziel. Und auch diese 100 Meter musste sie nicht selbst laufen – den kurzen Sprint haben Sie und die Staatskanzlei gleich mit übernommen.
Damit haben Sie übrigens zuvorderst Ihrer Büroleiterin einen Bärendienst erwiesen. Und dieses Gebaren werden Sie öffentlich erklären müssen.