Rede des Fraktionsvorsitzenden Sebastian Lechner anlässlich der Einbringung des Antrags auf Einsetzung eines 25. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

-Es gilt das gesprochene Wort-

Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist eine der wichtigsten und zentralen Aufgaben der Opposition und unsere Verantwortung gegenüber den Menschen in unserem Land, die Landesregierung zu kontrollieren. Und wenn sich der Ministerpräsident über Monate weigert, alle Details rund um die Turbobeförderung seiner Büroleiterin offenzulegen oder gar zu heilen, bleibt der Opposition am Ende, wie sogar Politiker ihrer eigenen Partei richtigerweise in der Zeitung bemerkten, nur noch eine Option: Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss!

Deswegen beantragen wie diesen heute, um die Gehaltsaffäre in der Niedersächsischen Staatskanzlei unter Ministerpräsident Weil aufzuklären.

Herr Ministerpräsident, Sie behaupten nach wie vor, übrigens noch immer ohne eine Begründung, ohne ein vorgetragenes Argument, der Vorwurf der Rechtswidrigkeit Ihres Vorgehens sei völlig aus der Luft gegriffen. Vor einer Entscheidung muss die Rechtsgrundlage wirksam sein. Das ist doch klar, oder? Der zuständige Finanzminister hatte aber noch gar nicht über die Neuregelung entschieden, da setzen Sie die Beförderung bereits auf die Tagesordnung des Kabinetts und schafften Fakten!

Noch bevor alle anderen Ministerien über diese Neuregelung durch das Finanzministerium informiert wurden, beschließen Sie die Beförderung. Dann wird die erhöhte Vergütung auch noch für mehr als ein Vierteljahr rückwirkend gewährt, obwohl Ihre eigene Neuregelung ausweislich des Wortlauts nur „für künftige Fälle“ gilt.

Klar können Sie auch im außertariflichen Bereich grundsätzlich rückwirkend erhöht vergüten, aber doch nur, wenn auch zum Zeitpunkt der Rückgewährung die Voraussetzungen des damals geltenden Rechts vorlagen. Und das war zum 1. August – selbst nach Ihrer Auffassung – nicht der Fall.

Herr Ministerpräsident, wenn das ein Mitarbeiter einer Personalabteilung in unserer Landesverwaltung so entschieden hätte, wäre höchstwahrscheinlich ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Es war aber kein Mitarbeiter, die haben alle widersprochen, es war der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen! Und das war ein großer Fehler!

Betroffen macht mich auch, wie Sie und Ihr Chef der Staatskanzlei mit solchen Rechtsfragen dann umgehen. Auf die Frage im 49. Haushaltsausschuss vom 6.2.2024, auf welcher Rechtsgrundlage die erhöhte Vergütung denn rückwirkend gewährt wurde, antwortet Ihr Staatssekretär Mielke ausweislich des Protokolls auf Seite 9. Ich zitiere: „Insofern hat mich die Frage „Durfte man das überhaupt?“ nicht umgetrieben – das sage ich Ihnen ganz deutlich -, auch jetzt nicht.“  Zitat Ende. 

Es hat ihn also noch nicht einmal interessiert, ob Ihr Vorgehen rechtmäßig oder rechtswidrig war. Das zeigt das ganze Gebaren des Staatssekretärs in diesem Fall und macht einen fassungslos!

Aber Sie sind in ähnlicher Art und Weise unterwegs. Im besagten NOZ-Interview sagen Sie: „Das Finanzministerium ist für mich der Finanzminister. Zitat Ende. Heißt übersetzt, was die fachliche Ebene des Finanzministeriums zu meinem Vorgehen sagt, interessiert mich keinen Deut. Was für eine Überheblichkeit gegenüber den Mitarbeitern, was für eine Fahrlässigkeit im Vorgehen, und was für eine Dekadenz der Macht!

Herr Finanzminister Heere, was haben Sie dem MP eigentlich getan, dass er Sie öffentlich so schön in Mithaftung für sein Schlamassel nimmt? Was sagen eigentlich die Grünen zu diesen Vorgängen? Hat Ihnen der Finanzminister im Hintergrund erklärt, wie die Dinge tatsächlich sich zutrugen? 

Bislang haben wir von den Grünen in der Öffentlichkeit zu diesem Vorgang nur dröhnendes Schweigen gehört. Kein einziges Statement zur Verteidigung Ihres Ministerpräsidenten. Das ist auch ein Statement.

Herr Ministerpräsident, auch Ihre Geschichte, es sei Ihnen um eine Attraktivitätssteigerung des Öffentlichen Dienstes und um Nachwuchsgewinnung gegangen, ist nicht glaubwürdig. Denn die neue Regelung hilft den meisten Quereinsteigern gar nicht über die bisherige Rechtslage hinaus.

Menschen, die mit entsprechender Qualifikation zunächst einen anderen Job machen und später in den Öffentlichen Dienst eintreten, haben kein Problem gehabt, wenn ihr Lebenslauf nachgezeichnet wird. Da kann man und konnte man nach der Probezeit problemlos nach B2 vergüten. Die neue Regel hilft vor allem Menschen, die direkt nach dem abgeschlossenen Master ohne große Berufserfahrung in ein Führungsamt befördert werden sollen!

Und nur, wenn der Posten direkt bei der Hausleitung ausschreibungsfrei ist. Die Neuregelung hilft also nur Ihnen, die Zustimmung des Finanzministeriums für diesen einen Fall ihrer Büroleitung zu umgehen. Nur darum ging es und um nichts anderes.

Sie sind seit 11 Jahren Ministerpräsident. Und wollen uns weiß machen, dass ihnen erst jetzt auffällt, dass Menschen, die in unserer Landesverwaltung Leistung bringen, nicht rechtszeitig und ausreichend befördert werden? Oder dass unsere Landesverwaltung nicht offen genug ist für den Quereinsteiger?

Ihren politischen Einsatz und ihre Entschiedenheit in diesem Fall, hätten wir uns vor allem auch für diejenigen gewünscht, die jeden Tag diesen Laden am Laufen halten und Überstunden bei der Polizei, in Krankenhäusern, Gefängnissen, Schulen und Kindertagesstätten leisten. Die alle oft mehr als 10 Jahre auf ihre Beförderung warten müssen, 2000 EUR mehr Brutto ist fast das Grundgehalt dieser Menschen, und das ist nicht gerecht Herr Ministerpräsident, da haben Sie völlig recht, und diese Menschen hätten es verdient, dass Sie sich für sie in die Waagschale geworfen hätten! Haben sie aber nicht! 11 Jahre lang nicht. Und das ist so entlarvend!

Und dann diese Eile? Warum? Was hat Sie denn getrieben? Wie kann ein so erfahrener Regierungschef ein solches Risiko eingehen? Wilde Spekulationen dazu in den Zeitungen, Cum-Ex, Klingelbeil usw., von denen ich sehr für Sie hoffe, dass keine zutreffen wird. Keine Erklärung aber bisher von ihnen. Bis auf dieses kleinlaute Zurückrudern in der NOZ, dass Sie besser die Regeländerung in aller Ruhe hätten vornehmen sollen.

Dass Sie vielleicht zunächst auch den einen oder anderen Fall aus anderen Häusern von der Neuregelung hätten profitieren lassen sollen, bevor Sie ihre Büroleiterin befördern. Aber das klingt doch nicht nach Läuterung? Wissen Sie wie das klingt? Nicht als ob Sie sich darüber grämen, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, einen Fehler gemacht zu haben, sondern es klingt, als ob Sie sich nur Gedanken darüber machen, wie Sie ihr Vorgehen hätten klüger und besser verstecken können! Dieses NOZ-Interview hätten Sie besser nie gegeben!

Wahrscheinlich wäre es Ihnen auch gelungen, diesen Fall zu verstecken, hätte nicht eines Ihrer Kabinettsmitglieder den Rundblick informiert. Was viel über den Zustand dieser Landesregierung sagt. In einem haben Sie allerdings Recht. Sie tragen die politische Verantwortung für diesen Schlamassel! Es ist nicht derjenige verantwortlich, der aufklärt, sondern der, der die Fehler begeht.

Wenn Sie und ihre SPD nach 11 Jahren einfach keine Lust mehr, sich an Regeln zu halten, ist es unserer Verantwortung den Menschen in Niedersachsen gegenüber das zu klären.

Und dass die Menschen in unserem Land das genauso sehen, zeigen die Leserbriefe vom 26. Februar dieses Jahres in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zu Ihrer SPD-Gehaltsaffäre. Nicht ein Beitrag äußerte dabei für Ihr Vorgehen Verständnis! Eine Dame brachte es auf den Punkt. Ich zitiere: “Zu Weils Sonderbeförderung seiner SPD-Genossin fällt mir der Schostok-Fall ein. Im Übrigen handelt, Weil, der schon zu lange Ministerpräsident ist, wie der Sonnenkönig in Frankreich: L’état, c’est moi.“, deutsch: der Staat bin ich.

Dem ist nichts hinzuzufügen!

veröffentlicht am 13.03.2024