Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag, Sebastian Lechner anlässlich der Erwiderung auf die Regierungserklärung „Humanität und Ordnung“ des Niedersächsischen Ministerpräsidenten am 08.11.2023

-Es gilt das gesprochene Wort-

Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Herr Ministerpräsident,

kennen Sie das Positionspapier der CDU/ CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag zur Asyl- und Flüchtlingspolitik? Es trägt den Titel: „Für Humanität und Ordnung in der Asyl- und Flüchtlingspolitik.“  Ihre Regierungserklärung vom heutigen Tage lautet nahezu identisch.

Ich finde es lobenswert, wie Sie sich von den Positionen der Union in der Asyl- und Flüchtlingspolitik überzeugen lassen.

Wie hat schon der dänische Literaturwissenschaftler Svend Grundtvig gesagt: „Erkenntnis tut weh, aber sie heilt auch.“ Und ein Heileffekt ist bitter nötig, denn laut der jüngsten INSA-Umfrage für die BILD-Zeitung bewerten 72% der Deutschen die Migrations- und Asylpolitik kritisch.

Auch das Land Niedersachsen zeigt eine große Humanität. Wir stehen zum Schutz der zu uns Geflüchteten. Danken möchte ich allen, die sich in dieser Arbeit im Land engagierten, den ehrenamtlichen Helfern, den Mitarbeitern der Hilfsorganisationen, den Mitarbeitern der Behörden, den Bürgermeister und Landräten. Niedersachsen steht zur Humanität, aber wir müssen die Ordnung nachschärfen.

Die kommunale Integrationsgrenze ist erreicht. Aber die Grenzen des Leistbaren insgesamt sind erreicht. Das sagen uns vor allem auch die Menschen, die Jahre lang in der Flüchtlingsarbeit geholfen haben. Menschen mit einem vernünftigen Menschenbild. Der Zuzug der illegal nach Deutschland kommenden Migranten muss gestoppt werden.  Wir müssen das Asylrecht auf die begrenzen, für die es gedacht war. Sonst entwickelt sich die Migrations- und Asylkrise zu einer Vertrauenskrise in die Politik.

Bund und Europa

Es darf keine Blockade der EU-Beschlüsse mehr durch die Bundesregierung geben.  Der Kanzler und seine grüne Außenministerin, nicht deren Sonderbevollmächtigter, müssen sich dafür einsetzen, dass das EU-Türkei-Abkommen jetzt wiederbelebt und andere Abkommen nach diesem Vorbild, wie mit Tunesien angestrebt, abgeschlossen werden.

Sie müssen dafür werben, dass nur Visa an Angehörige eines Staates erteilt werden, wenn dieser zur Rücknahme seiner Staatsangehörigen im Wege der Rückführung bereit ist. Sie müssen sicherstellen, dass die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Asylverfahren, nach Antragstellung in der EU, uneingeschränkt in Drittstaaten durchführen zu können. Ein Prüfauftrag reicht nicht.

Es muss der Wille zur Umsetzung da sein. Genau diese Forderung hat auch der renommierte Migrationsforscher Ruud Koopmans von der Berliner Humboldt-Universität aufgestellt.

Denn das wäre der einzige wirklich wirksame Weg, dafür zu sorgen, dass Menschen, die nicht schutzbedürftig sind, gar nicht erst nach Europa kommen.

Die MPK-Protokollerklärung von Niedersachsen gemeinsam mit den linken Landesregierungen aus Bremen und Thüringen spricht Bände und zeigt, welch Geistes Kind Sie wirklich sind. „Eine Feststellung des Schutzstatus außerhalb des Gebietes der EU kommt nur für Länder in Frage, in die sich die Schutzsuchenden freiwillig begeben haben.“ Das ist absurd.

Zurückweisungen an Grenzen

Solange die EU ihre Außengrenzen nicht effektiv schützen kann, müssen die stationären Grenzkontrollen jetzt ausgeweitet und verlängert werden. Aber es braucht nicht nur stationäre Grenzkontrollen. An den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz muss die Zurückweisung von illegalen Flüchtlingen rechtssicher möglich gemacht werden.

Wenn ein Bundespolizist die illegale Einreise zwar feststellt, aber dann einreisen lassen muss, ist keinem geholfen. Auch im Beschluss der MPK wurde das Thema Zurückweisungen ausdrücklich erwähnt.

Daher brauchen wir jetzt Vereinbarungen auch mit unseren Nachbarstaaten, damit wir schon vor der deutschen Grenze Kontrollen und entsprechende Zurückweisungen mit den dortigen Polizeibehörden gemeinsam vornehmen können. Ein Staat muss seine Grenzen schützen, sonst gibt er sich auf.

Sozialleistungsniveau

Wir müssen auch darüber nachdenken, ein Sozialleistungsniveau für abgelehnte Asylbewerber und Personen im Asylerfahren unterhalb des Niveaus des Bürgergelds zu etablieren, um weitere Pull-Faktoren auszuschließen.

Bürgergeld und Asylleistungen müssen entkoppelt werden! Wir müssen die sogenannten Analogleistungen für Asylbewerber und ausreisepflichtige Personen nach bisher 18 Monaten Aufenthalt anpassen.

Laut MPK-Beschluss soll die Wartefrist für erweiterte Leistungen von derzeit 18 auf mindestens 36 Monate verlängert werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es bei den üblichen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Im MPK-Beschluss ist davon die Rede, dass die Länder ein beschleunigtes Verfahren im Bundesrat zusagen. Herr Ministerpräsident, ich prophezeie Ihnen: Ihr Koalitionspartner wird sie da hängen lassen.

Integration

Für diejenigen, die über einen Aufenthaltstitel verfügen, müssen wir ein nachhaltiges Integrationskonzept mit ausreichend Sprach- und Orientierungskursen organisieren. Dazu gehört auch, dass die viel zu hohen Standards für Deutschlehrkräfte gesenkt werden.

Der MPK-Beschluss geht in die richtige Richtung. Wir müssen Integrationsvereinbarungen abschließen, damit die Menschen, die mitmachen wollen, auch mitmachen können und schneller eine Arbeit aufnehmen. Aber wir müssen die Menschen auch sanktionieren, die sich verweigern. Hier darf es keine Denkverbote geben.

Unterbringung

Die MPK-Beschlüsse geben aber auch eine Verpflichtung auf für Niedersachsen. OhHeute werden alle Ankommenden sofort weiter verteilt. Das ist die Sachlage. Das ist eine wirkliche Fehlleistung der Innenministerin zulasten der Kommunen. Sie muss nun schleunigst aufholen.

Die Kommunen brauchen aber mehr Plätze, brauchen einen Puffer. Denn eines darf nie wieder passieren:

Die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, zu denen auch ich zähle, werden sich an die dramatischen Entscheidungen damals nur zur gut erinnern können, als Turnhallen zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert werden mussten.

Solche Maßnahmen würden die Kommunen in vielen Fällen schlichtweg überfordern und den gesellschaftlichen Konsens in unserem Land bedrohen. Was die Kommunen aber jetzt benötigen, sind Verlässlichkeit und Entlastung.

Wir müssen Erstaufnahmeeinrichtungen aufbauen, aus denen nur Asylbewerber mit Bleibeperspektive auf die Kommunen verteilt werden. Wir müssen diese zu echten Integrationszentren ausbauen, in denen den Menschen Sprachkenntnisse, Bildung und Teilhabe vermittelt werden. Das schafft Chancen.

Und wir müssen priorisieren, damit diejenigen, die aus Ländern kommen, bei denen die Anerkennungsquote bis zu fünf Prozent beträgt, gar nicht erst verteilt werden. Die MPK sagt, dass Asylverfahren in Erstaufnahme-einrichtungen abgeschlossen werden sollen. Dazu muss das Asylverfahren beschleunigt werden. Dafür brauchen wir mehr Richterstellen. Nicht nur die Verlängerung von 7 Befristungen.

Herr Ministerpräsident, in Berlin allem zustimmen und zu Hause keine Vorsorge treffen. Sie müssen liefern durch Plätze, Richter etc. Das ist der Auftrag der MPK.

Geld- auf Sachleistungen

Wir müssen konsequent von Geld- auf Sachleistungen umstellen, damit keine Geldsendungen in die Heimatländer der Migranten mehr möglich sind und damit Anreize wegfallen. Der Einsatz einer entsprechenden Chip- bzw. Bezahlkarte, wie von der MPK aktuell gefordert, ist in diesem Zusammenhang sinnvoll.

Frau Behrens, wir erwarten, dass Sie sich in der einzurichtenden Arbeitsgruppe für eine schnelle Einführung einer Bezahlkarte einsetzen. Und Niedersachsen muss vorangehen und sich nicht wegstehlen.

Und unterstützt Sie Ihr grüner Koalitionspartner dabei?

Ich bin mir sicher, dass die Grünen dieses Thema gleich aussparen werden, weil Sie sich eben nicht einig sind.

Finanzierung

Dafür bedürfen die Kommunen endlich genügend finanzieller Mittel, damit diese die Unterbringung und die Integrationsmaßnahmen auch auskömmlich finanzieren können.

Die jetzt von MPK und Kanzler vereinbarte Pro-Kopf-Pauschale, das viel beschworene „atmende System“ ist ein erster Schritt. Wir schlagen Ihnen vor in unserem Haushaltsentwurf, dass wir die Mittel 1:1 durchleiten.

Rückführung

Zu verantwortungsvoller Politik gehört auch, dass wir „endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben.“

Bevor Sie mir jetzt wieder, wie in der letzten Landtagssitzung, „Narrative von rechts außen“ unterstellen, Frau Behrens, kann ich Sie beruhigen. Ich habe Ihren Bundeskanzler zitiert.

Kürzlich haben Sie in einem NDR-Interview zum Ampel Gesetzentwurf zur schnelleren Abschiebung abgelehnter Asylbewerber gesagt, dass „Ich glaube, wir überhöhen den Gesetzentwurf der Ampel. Das Thema Rückführungen ist gerade emotional überladen und wird dem Thema Geflüchtete nicht gerecht.“

Der Ministerpräsident hat im SPD-Parteiorgan „Vorwärts“ dazu gesagt, dass er den Gesetzentwurf sehr sinnvoll fände. Herr Ministerpräsident, bringen Sie Ihre Innenministerin auf Spur. Laut dem MPK-Beschluss soll die Innenministerkonferenz prüfen, ob weitere Rückführungsmaßnahmen möglich und nötig sind. Hier wird Frau Behrens Farbe bekennen müssen.

Und was sagt denn eigentlich Ihr Koalitionspartner zum Gesetzentwurf aus dem SPD geführten Bundesinnenministerium, Herr Ministerpräsident? Die migrationspolitische Sprecherin der Grünen hat auf Instagram den Gesetzentwurf heftig kritisiert, ein Abschiebedefizit in Zweifel gezogen und eine Politik der Kälte und Abschottung konstatiert. Das klingt nicht nach großer Einigkeit.

Dabei hätten wir schon in der letzten Legislaturperiode alle Punkte beim Thema Abschiebung mit der SPD vereinbaren können. Mehr Abschiebungshaftplätze, Verlängerung des Ausreisegewahrsams oder unangekündigte Abschiebungen.

Ich bin gespannt, wie die Grünen reagieren, wenn Frau Behrens unangekündigte Abschiebungen morgens um 5 Uhr vollziehen lassen würde.

Damals hatten wir ein Modellprojekt bei problematischen Abschiebungsfällen vorgeschlagen. Das Land soll ausreisepflichtige abgelehnte Asylbewerber, die ihre Identität hartnäckig verschleiern, in einer zentralen Einrichtung unterbringen, damit diese Problemfälle durch Fachleute gelöst werden können. Denn nur wenn wir wissen, aus welchem Herkunftsland die ausreisepflichtige Person kommt, können wir Passersatzpapiere beschaffen und abschieben. Fakt ist, der damalige Innenminister hat all unsere Vorschläge strikt abgelehnt, auch konkrete Vorschläge zur Abschiebung inhaftierter ausländischer Straftäter direkt aus der Haft.

Ausgestreckte Hand

So wie es der Gesetzentwurf vorsieht. Das gilt im Kern für all das, was Sie und ich angeschnitten haben. Das haben auch die Ministerpräsidenten beschlossen: Wenn das nicht nur Worte bleiben sollen, dann müssen Sie es bis Weihnachten umsetzen!

Daher reichen wir Ihnen erneut die Hand, Herr Ministerpräsident. Wir stehen bereit, wenn es darum geht, die illegale Migration zu stoppen, die Organisation vor Ort zu verbessern, die Integration auszubauen und Rückführungen zu beschleunigen.

Wir haben zu allen Fragen der Migration, Begrenzung und Steuerung, Entlastung der Kommunen, verbesserte Abschiebung, Fachkräfteeinwanderung, inzwischen ganz konkrete Vorschläge gemacht. Drei Entschließungsanträge liegen seit Monaten im Innenausschuss. Gegenvorschläge der Regierungsfraktionen? Fehlanzeige!

Wann sprechen Sie denn endlich mal ein Machtwort und geben die Linie vor?  Aber eine Zusammenarbeit mit uns kann nur zu Stande kommen, wenn Maßnahmen beschlossen werden, die wirklich zu spürbaren und schnellen Erfolgen führen!

Wir werden uns nicht vereinnahmen lassen für Lösungen, die nicht funktionieren. Das ist verantwortungsvolle Oppositionspolitik.  Zum Wohle unseres Landes. Und ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns in diesem Geiste einigen.

veröffentlicht am 08.Nov.2023