Rede der Parlamentarischen Geschäftsführerin Carina Hermann zur Absetzung und Verschiebung der TOP´s 3 und 4 „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2022/2023 (Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2023)“

-Es gilt das gesprochene Wort-

Verehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die Fraktionen von SPD und Grünen beantragen, heute einen Nachtragshaushalt zu beschließen, der die Rechte der Bürger, der Kommunen und auch der Mitglieder dieses Hauses missachtet. Einen Nachtragshaushalt, an dessen Verfassungsmäßigkeit nach Auffassung der CDU-Fraktion größte Zweifel bestehen.

Diesen Verfassungsbruch lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

Im Namen meiner Fraktion beantrage ich daher,

die Tagesordnungspunkte 3 und 4 gemäß Paragraph 66 Absatz 1 Nummer 4 unserer Geschäftsordnung von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und auf das Juni-Plenum oder auf ein Sonderplenum im Mai zu verschieben.

Diesen Antrag begründe ich namens meiner Fraktion wie folgt:

Herr Ministerpräsident Weil,

Frau stellv. Ministerpräsidentin Hamburg,

schon der Beginn der Beratungen zum Nachtragshaushalt ist Ihrer Koalition ordentlich misslungen. Es waren Ihre Fraktionen, die eine Beratung der Einzelpositionen in den Fachausschüssen abgelehnt und die Rechte der anderen Abgeordneten damit verletzt haben.

Nur weil wir uns mithilfe der Geschäftsordnung dieses Hauses dagegen gewehrt haben, hat Ihre Regierung in den Ausschüssen schließlich doch noch Stellung bezogen – immerhin. Schon das war reichlich unverfroren, wie ich finde, doch es kam noch schlimmer:

Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion:

Wir alle hier in diesem Hause können uns noch gut daran erinnern, wie Sie in der vergangenen Wahlperiode keine Gelegenheit ausgelassen haben, auf die Wahrung der Oppositionsrechte hinzuweisen; es schien ja kaum ein anderes Thema für Sie zu geben! Und das, obwohl die Corona-Krise oftmals kurzfristigen Regierungshandeln erforderlich gemacht hat!

Doch kaum sitzen Sie, Frau Hamburg, Herr Meyer, auf der Regierungsbank, wollen Sie nichts mehr davon wissen!

Verehrte Abgeordnete von SPD und Grünen,

ohne Not wollen Sie Ihre mit der heißen Nadel gestrickten Änderungsanträge zu eigenen Änderungsanträgen durch den Landtag peitschen. Gegen die Bestimmungen unserer Niedersächsischen Verfassung! Gegen das Grundgesetz und gegen jede Warnung, insbesondere jene unseres Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes!

Am 19. April – also vor gerade einmal 14 Tagen – haben Ihre Fraktionen umfassende Änderungsanträge zum Nachtragshaushalt als Tischvorlage im Haushaltsausschuss verteilt.

Vor neun Tagen, am 24. April, haben Sie Teile dieser Anträge selbst noch einmal geändert und darüber hinaus einen weiteren Änderungsantrag gestellt.

Nur unter Protest hat meine Fraktion diese Anträge mitbehandelt, auch im Rechtsausschuss, den Sie offenkundig nicht umgehen konnten. Natürlich haben wir den Nachtragshaushalt mitsamt aller Änderungsanträge abgelehnt.

Meine Damen und Herren von SPD und Grünen,

dass sich selbst der unabhängige und für unsere verfassungskonforme Arbeit unersetzliche Gesetzgebungs- und Beratungsdienst dazu genötigt sieht, auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens hinzuweisen, und das gleich in mehrfacher Hinsicht, hätte Ihnen eigentlich Warnung genug sein müssen.

Nicht nur, dass der GBD seiner Arbeit nicht im Ansatz nachkommen konnte:

Sie missachten die erforderliche Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände nach Artikel 57 Absatz 6 der Niedersächsischen Verfassung! Sie missachten die Verpflichtung zur Schaffung der Kostendeckung in einem Nachtragshaushalt nach Artikel 68 Absatz 2 der Niedersächsischen Verfassung!

Sie missachten die Gleichheitsrechte aller Abgeordneten in diesem Hause nach Artikel 38 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz und nach Artikel 12 unserer Niedersächsischen Verfassung!

Und Sie missachten den höchstrichterlich entsprochenen Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit, was vor allem deshalb völlig widersinnig ist, weil Sie alle Zeit der Welt haben, Ihren Nachtrag bis zum 1. Juli zu verabschieden!

Wenn nicht im Juni-Plenum dann eben in einem Sonderplenum Ende Mai! Das bieten wir hier ausdrücklich an!

Herr Weil, Frau Hamburg,

warum beschließen Sie Ihren Nachtragshaushalt nicht erst im Juni, wenn Bürgerinnen und Bürger, die kommunalen Spitzenverbände, der GBD und auch wir Abgeordnete die Gelegenheit hatten, diesen zu prüfen?

Ihre Koalition steht seit sieben Monaten, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Sie hätten also viel Zeit gehabt, sich intern abzustimmen und einen wohl überlegten, durchgerechneten und vor allem verfassungskonform beratenen Nachtragshaushalt vorzulegen. Stattdessen haben Sie entschieden, in letzter Sekunde überhaupt erst mit der Arbeit zu beginnen und damit die Menschen in diesem Land, die Kommunen und die Abgeordneten des Parlamentes an der Ausübung ihrer verbrieften Rechte zu hindern. Das ist nicht nur handwerklich schlechtes Regierungshandeln, sondern auch verfassungswidrig.

Die CDU-Fraktion fordert Sie auf, zur Verfassungsmäßigkeit zurückzukehren.

Stimmen Sie unserem Antrag zu und sorgen Sie für ein Gesetzgebungsverfahren, das demokratischen und parlamentarischen Standards entspricht!

Vielen Dank.

veröffentlicht am 03.Mai.2023