Rede des Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten am 22. Februar 2023

-Es gilt das gesprochene Wort-

Sehr geehrte Frau Generalkonsulin Dr. Tybinka,

wir danken Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie den Wunsch unserer Fraktion erfüllt und heute zu uns gesprochen haben. Ihre Schilderungen haben uns zutiefst berührt. Denn wir stehen fest an der Seite der Ukraine. Slawa Ukraini!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor fast 80 Jahren wurde unser Land von der menschenverachtenden nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit. So hat es Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Rahmen seiner Rede zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges ausgedrückt. Unsere historische Verantwortung daraus lehrt uns: Menschenfeinden müssen wir entschlossen entgegentreten. Ohne Zögern und Zaudern. Überall. Zu jeder Zeit.

Jetzt herrscht wieder Krieg mitten in Europa. Die Ukraine kämpft gegen Mord, Vergewaltigung und den Raub tausender Kinder.

Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie vor diesem Hintergrund zu überdenken, die Niedersächsische Landesmedaille Unterstützern des Putin-Regimes endlich abzuerkennen. Und in Deutschland haben viele Menschen Angst vor dem Krieg. Angst vor einer nuklearen Katastrophe. Angst, dass Putin noch weitere Länder überfällt. Angst, dass wir in diesen Krieg unmittelbar hineingezogen werden. Ich verstehe diese Ängste.

Aber auf den Schlachtfeldern des Donbas verteidigt die Ukraine unsere gemeinsamen Werte gegen Putins Russland. Demokratie gegen Autokratie. Pluralität gegen Diktatur. Freiheit gegen Unterdrückung. Eine Niederlage der Ukraine wäre eine Niederlage für den Westen insgesamt. Wir Deutschen haben von der amerikanischen Eindämmungspolitik gegen über der Sowjetunion nach dem 2. Weltkrieg maßgeblich profitiert.

Denken Sie zum Beispiel an die Truman Doktrin. Denken Sie an den Marshall-Plan, ohne dessen wirtschaftliche Hilfe der Wiederaufbau Deutschlands nicht denkbar gewesen wäre. Denken Sie an die Luftbrücke, bei der 80 Menschen starben, um West-Berlin zu retten. Und denken sie an die NATO, die unseren Frieden sichert. Wer, wenn nicht wir Deutschen, könnte verstehen, wie unverzichtbar Solidarität ist?

Durch die uns gewährte Solidarität nach dem Zweiten Weltkrieg konnten wir zu einem der demokratisch gefestigtsten, freiesten und stärksten Länder der Welt wachsen. Darum schulden wir der Ukraine nun dieselbe Solidarität in militärischer, wirtschaftlicher und ziviler Hinsicht.Darum begrüßen wir es, dass Sie Partnerschaften mit der Ukraine aufbauen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen. Und ich bin froh, dass der neue Verteidigungsminister das im Gegensatz zum Bundeskanzler so klar benennt.

Herr Ministerpräsident, ja, Deutschland hat schon viel geholfen mit Zusagen von über 6 Mrd. Euro. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass wir in anderen internationalen Konflikten, Zum Beispiel für den Golfkrieg mehr als 3-mal so viel gegeben haben. Und das Gezerre über die Zusagen für die Leopard – Panzer war uns und dieser von mir beschriebenen historischen Verantwortung unwürdig.

Die versammelten Bedenkenträger in der Bundesregierung, insbesondere die Sozialdemokraten, werden den Menschen in der Ukraine und uns nie erklären können, warum es bei ihnen immer so lange dauert. Warum sie zaudern und zögern. Warum lösen sie sich nicht endlich von ihren Doktrinen der Ostpolitik und der Schröder‘schen Putinbindung? Wann kommt endlich der klare Schnitt in der Außenpolitik der Sozialdemokraten?

Die Adenauersche Westbindung muss Maßgabe in dieser Zeit sein, wir müssen weiter die Geschlossenheit des Westens demonstrieren und das NATO-Bündnis dauerhaft und ehrlich mit zwei Prozent unterlegen. Mutig und konsequent die Ukraine unterstützen! Statt zu zögern und zu zaudern, sollten die Sozialdemokraten dem Beispiel Ihrer grünen und liberalen Koalitionspartner folgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zögern und zaudern sind leider auch aktuell Wesenskern dieser Landesregierung. Die Menschen in diesem Land verlangen zurecht von ihrer Landesregierung, dass sie ihnen in dieser Krise beisteht. Dass sie Probleme mutig angeht. Dass sie Ihren Job macht.

Wie können wir unsere Wirtschaft stärken und neuen Wohlstand erarbeiten? Wie sichern wir die nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung? Wie bekommen unsere Kinder die Betreuung und Bildung, die sie verdienen? Für all diese und viele weitere Fragen liefern Sie bisher keine Konzepte, Herr Ministerpräsident Weil.

Die Kriegsfolgen haben unsere Unternehmen hart getroffen. Und was haben Sie zur Entlastung des Mittelstands, der Selbstständigen und des Handwerks in Ihren ersten 100 Tagen getan? Sie haben eben gesagt: Die KMU-Unterstützung im Nachtragshaushalt. Klingt gut, aber können denn wenigstens schon Anträge gestellt werden? Bisher nicht. Bislang ist kein einziger, trauriger, krummer Euro irgendwo bei den Unternehmen angekommen. Die Kriegsfolgen haben auch die privaten Haushalte hart getroffen. Und was haben Sie zu deren Entlastung getan? Sie haben eben gesagt: Der Härtefallfonds. Klingt gut, aber liegen dafür schon Interessensbekundungen der Kommunen vor? Kaum eine, weil die Bedingungen so abschreckend gestaltet sind. Auch hier ist noch kein einziger, krummer, trauriger Euro bei den Menschen angekommen.

Die Kriegsfolgen haben noch viele weitere Bereiche in unserem Land getroffen. Denken Sie an die Beratungsstrukturen, die Tafeln, die Veranstaltungswirtschaft oder die Kultur- und Kreativwirtschaft. Und was haben Sie zu deren Entlastung getan? Sie haben eben gesagt: Die Hilfsprogramme im Nachtragshaushalt. Klingt gut, aber haben die Betroffenen schon davon profitiert? Nein.

Hier können noch nicht einmal Anträge gestellt werden. Auch hier ist kein einziger, krummer, trauriger Euro angekommen.

Wo können wir denn unterstützen, damit das endlich schneller geht? Besonders empört aber ihre eben getätigte Aussage, dass sie von Bund erwarten, dass es Hilfeleistungen für Pellet- und Ölheizungsbesitzer gibt. Wir haben es ihnen bei der Besprechung über den Nachtragshaushalt klar gesagt! Wir müssen hier tätig werden als Land. Wir haben ihnen einen Vorschlag gemacht. Sie haben den abgelehnt. Obwohl sie es noch im Wahlkampf versprochen haben. Jetzt auf den Bund zu verweisen ist zu einfach! Stattdessen waren sie sich sogar nicht zu fein, Nutznießer der Not zu sein. Aus den inflationsbedingen Steuermehreinnahmen wurden 1 Mrd. Euro in einer Rücklage für rot-grüne Klientelprojekte gebunkert. Hier haben Sie nicht gezögert und gezaudert, sondern gleich zugegriffen. Die Menschen im Land haben mehr Engagement verdient. Nehmen Sie sich an deren Engagement, Mut und Einsatz ein Beispiel!

Ich denke dabei vor allem an die private Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge, die Spenden und Hilfen für die Türkei, die tägliche Unterstützung für die Nächsten,

Die so viele in unserem Lande leisten. Das ist nicht selbstverständlich und dafür möchte mich bei allen ganz herzlich bedanken!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn uns die letzten 12 Monate eines gelehrt haben: Wirtschaft und Wohlstand wird es zukünftig nur dort geben, wo Energie kostengünstig und verlässlich zur Verfügung steht. Wir dürfen uns nie wieder auf nur einen Lieferanten verlassen.

Und wenn sie Herr Ministerpräsident, vom Industriestrompreis sprechen, der jetzt endlich kommen müsste, dann spricht der Bundeskanzler ihrer Partei seit einem Jahr davon? Warum setzen sie ihn denn nicht um? Bisher haben sie für den Ausbau unser Energie-Unabhängigkeit nur eine Windflächenpotenzialstudie beauftragt und halten nun die Erläuterungen der Ergebnisse sogar zurück. Das erhöht gerade den Widerstand bei den Kommunen gegen den flächendeckenden Windkraftausbau und senkt ihn nicht.

Eine Studie allein produziert noch auch keine Windräder. Die Planung eines Windrads dauert aktuell etwa sechs Jahre. Das ist inakzeptabel. Wir müssen die Verfahren deutlich straffen. Der Ausbau der Übertragungsnetze ist wichtig.

Die Entwicklung der Wasserstoffwirtschaft ist wichtig. Die Entwicklung der Geothermie ist wichtig.  Widmen wir uns diesen wichtigen Dingen. Zögern und zaudern Sie nicht länger.

Und im Übrigen, wenn wir die Energiewende hin zu der Windkraft – und Wasserstoffland Nr. 1 schaffen wollen, dann braucht es die Planungsbeschleunigung nicht nur für Windräder. Ein Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff ist eine Industrieanlage. Ein Kavernen-speicher zur Speicherung von grünem Wasserstoff auch. Energieimportterminals an unseren Küsten ebenfalls. Die müssen angebunden werden, auch mit Straßen. Wir brauchen eine Planungsbeschleunigung für die gesamte Infrastruktur! Und verlässliches und verbindliches staatliches Handeln, wenn es darum geht, planfestgestellte und gerichtliche bestätigte Straßenaus-bauprojekte umzusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

auch unsere Schulen sind unmittelbar von den Auswirkungen des Krieges betroffen. Tausende geflüchtete Schülerinnen und Schüler müssen zuverlässig Aufnahme, Förderung und Bildung erhalten. Doch 10 Jahre Sozialdemokratie im Kultusministerium haben einen Scherbenhaufen hinterlassen. Die Unterrichtsversorgung ist so schlecht wie nie zuvor. Das niedersächsische Bildungssystem gleicht einer mit Flatterband gesicherten Baugrube.

Doch was macht die Kultusministerin in dieser Krise? Zögern und Zaudern. Wir erwarten selbstverständlich nicht, dass sie alle Probleme in den ersten 100 Tagen löst. Aber die Ministerin kapituliert einfach vor dem Lehrermangel und will erst einmal… Gespräche führen…, Studien auswerten… und Prüfaufträge vergeben. So verhindert man die 4-Tage-Schulwoche nicht. So integriert man auch die ukrainischen Flüchtlingskinder nicht.

Die CDU-Fraktion hat schon viele Lösungsvorschläge gemacht. Zumindest ein ehrgeiziges Programm für den Quereinstieg, auch mit unterjähriger Einstellung, hätten sie in den ersten 100 anstoßen können. Uns ist immer noch lieber, dass eine Quereinsteigerin oder ein Quereinsteiger eine Unterrichtsstunde gibt, als dass es keinen Unterricht gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, auch im Kita-Bereich passiert bisher nichts. Angesichts des grassierenden Fachkräftemangels hätten die Stellen für die duale Ausbildung deutlich erhöht werden müssen. Denn wie sollen sonst mehr Kinder, auch aus der Ukraine, verlässlich betreut werden?

Und unsere Sprache ist der Schlüssel fürs Leben. Für unsere Kinder wie für die zu uns geflüchteten Kinder. Trotzdem fehlt den Sprach-Kitas immer noch eine klare Finanzierungsperspektive.  Nehmen Sie die Anschlussfinanzierung der Sprach-Kitas verbindlich in den Nachtrag 2023, den Haushalt 2024 und die Mipla auf! Sonst gilt auch hier wieder: Sie zaudern und zögern, statt zuzupacken.

Sehr geehrte Damen und Herren,

unser Land muss seiner humanitären Verantwortung gerecht werden! Allein nach Deutschland flohen bislang mehr als eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer vor den russischen Bomben. Das sind mehr als eine Millionen Menschen, denen unser Staat Zuflucht bieten muss!

Unsere Kommunen können das aber nicht allein leisten. Doch die Landesregierung vermeidet eine Spitz-abrechnung und verwehrt ihnen die dringend notwendige Finanzierung. Wann zahlt das Land endlich die kompletten Unterkunfts- und Vorhaltekosten für 2022 und 2023?

Wir haben ihnen hierzu ebenfalls bei den Beratungen zum Nachtrag einen Vorschlag gemacht! 150 Mio. mehr eingestellt aus der von mir schon beschriebenen Rücklage, um die Flüchtlingsunterbringung besser zu organisieren. Sie haben auch das abgelehnt. Sie haben gezögert und gezaudert und wieder nicht zugepackt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir leben in schwierigen Zeiten. In Kriegszeiten. Eingangs habe ich Bundespräsident Richard von Weizsäcker zitiert. Ein anderer Bundespräsident, nämlich Roman Herzog, hat einmal gesagt: Ein Ruck muss durch dieses Land gehen.

Diesen Ruck braucht Niedersachsen. Jetzt. Es ist gute Sitte, einer Regierung 100 Tage zu geben und ihre Arbeit erst dann zu bewerten. In diesen 100 Tagen muss die Regierung aber auch ins Arbeiten kommen. Auf Versprechungen müssen Taten folgen, auf die Ankündigung muss das Machen folgen! Zögern und zaudern Sie nicht länger.

Ich bewundere die tapferen Männer und Frauen der Ukraine. Sie leben unter Umständen, die wir nicht einmal zu denken wagen, stellen sich mutig einem scheinbar überlegenen Feind und verteidigen ihre und unsere Freiheit – mit Entschlossenheit, Erfindungsreichtum und Mut. Dabei brauchen sie starke Partner. Wir wollen dieser starke Partner sein. Auch deshalb muss die Landesregierung endlich in Schwung kommen. Herzlichen Dank!

veröffentlicht am 22.02.2023