Rede des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Toepffer, zur Regierungserklärung des Ministerpräsidenten

– Es gilt das gesprochene Wort. –

Während ich hier zu Ihnen spreche, leisten viele Menschen in unserem Land wirklich Großartiges. Sie pflegen und behandeln tausende zum Teil schwer erkrankte Mitbürger auf den Intensivstationen. Sie versorgen uns mit Lebensmitteln und Hygieneartikeln. Sie arbeiten auf Feldern und Äckern, in Lkws und Supermärkten, in Krankenhäusern, Arztpraxen und natürlich in den vielen Rat- und Kreishäusern sowie der Landesverwaltung. Sie sind es, die den Laden am Laufen halten und jede Minute darum kämpfen, dass es unser Land nicht so schlimm treffen möge wie unsere Freunde in Italien, Spanien oder den USA. Ihnen gilt unser Dank und unsere aufrichtige Anerkennung.

Und unser Dank gilt natürlich auch all jenen, die die Einschränkungen dieser Tage hinnehmen – nicht klaglos, aber stets im Wissen, das Richtige zu tun, um andere vor einer Infektion und damit unser Gesundheitssystem zu schützen – ein Gesundheitssystem, das offenkundig besser ist, als es viele über Jahre behauptet haben, das allerdings an seine Grenzen gerät, wenn wir unser medizinisches Personal nicht ausreichend unterstützen.

Tatsächlich sind die Einschränkungen der Grundrechte und des öffentlichen Lebens, wie wir sie zur Eindämmung des Coronavirus unternommen haben, einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Der Preis, den wir für die ohne jeden Zweifel richtigen Maßnahmen bezahlen müssen, ist hoch, und er wird in unterschiedlichem Maße von jedem getragen werden müssen.

Weder als Bürger, noch als Jurist, noch als Abgeordneter hätte ich jemals gedacht, dass ich einmal vor diesem Hohen Hause stehen und mich für den professionellen Umgang unseres Souveräns mit den wirklich massiven Eingriffen in seine Grundrechte bedanken würde.

Doch genau das mache ich jetzt: Danke, dass Sie sich einschränken lassen. Danke, dass Sie mitmachen und den Verzicht auf vielfältige Weise zum Beispiel in den sozialen Medien zu einem gemeinsamen Erlebnis machen. Ein Erlebnis, das wir uns alle lieber erspart hätten, aber Mut in einer für uns alle unbekannten und respekteinflößenden Situation macht.

Danke auch für Ihre Geduld und Ihr Verständnis, dass wir Ihnen heute noch nicht sagen können, wann wir alle diese Einschränkungen vollständig zurückfahren können, Sie uns aber dennoch trauen, wenn wir Ihnen versprechen: Diese Pandemie wird irgendwann vorbei sein, und dann werden auch alle Kontaktverbote, Abstandsregeln und Geschäftsschließungen ein Ende finden. Alle, ausnahmslos.

Doch, meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört auch, dass wir diese Freiheit wohl erst dann vollständig zurückerlangen können, wenn der Ausbreitung des Virus medizinisch beizukommen ist – und nicht nur durch das Runterfahren des öffentlichen Lebens. Alles steht und fällt mit einem Impfstoff – wir haben das heute schon mehrfach gehört. Solange es diesen noch nicht gibt und der Weltgemeinschaft zur Verfügung gestellt wurde, werden sich die Menschen auf dem ganzen Globus in Verzicht und sozialer Distanz üben müssen.

Dafür braucht es Kraft und Disziplin, in der Bevölkerung ebenso wie in den Regierungen und Parlamenten. Kraft und Disziplin, die den Regierungen in Bund und Ländern in den Umfragen bestätigt werden, und die auch den Großteil der Gesellschaft auszeichnen.

Zumindest in Zweifel möchte ich allerdings ziehen, ob auch alle Fraktionen in diesem Hause bereit sind, diese Kraft und Disziplin aufzubringen. Anders lassen sich die nervösen Überbietungs- und Profilierungswettbewerbe Ihrer Fraktionen, die hier völlig fehl am Platz sind, Frau Hamburg und Herr Birkner, leider nicht erklären.

Unser Land befindet sich in der schwersten und alle Lebensbereiche durchdringenden Krise seit dem Zweiten Weltkrieg.

Doch anders als bei reinen Wirtschaftskrisen, in denen wir in den vergangenen Jahren einige Erfahrungswerte sammeln konnten, gibt es hierzulande keine Erfahrung im Umgang mit einem unbekannten, derart aggressiven Virus und insbesondere keine Erfahrung mit der Einschränkung und sukzessiven Wiederbelebung von Grundrechten.

Aber, Herr Birkner, ich bin froh und dankbar in einem Land zu leben, dessen Regierung bisher keinen Plan zur Einschränkung der Grundrechte und des öffentlichen Lebens fertig ausgearbeitet in der Schublade gehabt hat! Weshalb sich diese Regierung wie auch andere Landesregierungen mit der Einschränkung von Grundrechten begreiflicherweise – und auch glücklicherweise – in manchen Punkten schwer tut.

Diese Pandemie stellt alles Bekannte in den Schatten, und da ist es nur verständlich, dass Fehler passieren, auch bei der planmäßigen Rückkehr zu unseren bekannten Freiheiten. Wichtig ist doch, dass die parlamentarische Kontrolle trotz Krise funktioniert und die zu Recht kritisierte erste Verordnung des Sozialministeriums korrigiert wurde.

Und auch die NBank, Herr Grascha, hat nach der Intervention unseres Wirtschaftsministers Bernd Althusmann in den Krisenmodus geschaltet und die Kapazitäten deutlich erhöht.

Diese Landesregierung arbeitet verlässlich, transparent und sucht den Konsens mit allen anderen Bundesländern.

Mit der nun anstehenden Wiederaufnahme des Parlamentsbetriebes erhalten wir, die Abgeordneten, zudem unsere Stimme zurück. Das ist in der Tat ein wichtiges Signal.

Natürlich war in den vergangenen Wochen und Monaten nicht alles gut und richtig, und wir werden nach überstandener Krise auf allen politischen Ebenen über Konsequenzen sprechen müssen. Hier in Niedersachsen und auch im Zusammenspiel aller Bundesländer denke ich da insbesondere an die Frage, welche Geschäfte und Gewerke eigentlich systemrelevant sind, und warum Baumärkte virologisch unbedenklicher sein sollen als Autowaschanlagen, die ein Kunde nur vom Inneren seines Autos aus sieht.

Den Standpunkt meiner Fraktion hinsichtlich Bestattungen und Trauerfeiern kennen Sie auch, hier sind wir unlängst zu einer guten Einigung gekommen.

Wenn ich sage, dass wir über Konsequenzen sprechen müssen, dann liegt hier die Betonung allerdings eindeutig auf „nach“ der Krise. Und um ehrlich zu sein, ist meine Hoffnung darauf, dass dieses Parlament in der Coronakrise parteiübergreifend zum Wohle des Landes arbeitet, in den vergangenen Wochen immer stärker geschwunden.

Vielmehr scheint es, dass seit dem gemeinsamen Beschluss der vielen Hilfsmaßnahmen im März die jeweils eigene Sicht auf die Dinge, wie sie schon in Wahlprogrammen vergangener Jahre zu finden ist, wie eine Schablone auf die neuartige Situation gelegt werden soll.

Ich glaube, so können wir dieser Krise nicht gerecht werden.

Schauen wir uns doch einmal so an, was von FDP und Grünen in den letzten Wochen zu hören war:

Für Sie, Frau Hamburg, ist die Schuldenbremse natürlich gescheitert, obwohl wir sie – wie im Gesetz vorgesehen – zur Finanzierung der Hilfsmaßnahmen gelockert und alle erforderlichen Mittel aufgebracht haben.

Auch an Umverteilung haben Sie wie schon vor der Krise gedacht und wollen nun vorrangig denen, die ohnehin schon über Transferleistungen abgesichert sind und durch Corona keine zusätzlichen finanziellen Nachteile erleiden, die Leistungen erhöhen.

Und das, während Millionen Menschen in der Automobilindustrie, den gastronomischen Betrieben, den Hotels und Dienstleistungsberufen auf einen großen Teil ihres Gehaltes verzichten und trotzdem um ihren Arbeitsplatz bangen müssen.

Warum man die Erforderlichkeiten gerade so priorisieren sollte oder warum Transferleistungen in einer Krise erhöht statt auf zusätzlich Betroffene ausgeweitet werden sollen, müssen Sie mir mal erklären, Frau Hamburg.

CDU und SPD gehen da andere Wege. Daher freuen wir uns über die gestrige Entscheidung des Koalitionsausschusses in Berlin, das Kurzarbeitergeld zu erhöhen.

Es ist doch klar: Ihre Fraktion möchte diese Krise nutzen, alte Forderungen in neuem Gewand zu präsentieren. Aber diese Krise braucht keine Antworten, die Sie aus alten Wahlprogrammen der abgeschrieben haben. Diese Krise braucht Mut und die Bereitschaft, über den eigenen Schatten zu springen und gerade in dieser Zeit Menschen zu helfen, deren Geschäftsgrundlage Sie sonst eher in Zweifel ziehen.

Und nun zur FDP:  Während noch überhaupt nicht klar ist, wie viele Betriebe am Ende dieser Krise finanzielle Hilfe des Landes benötigen, und während die Landesregierung nicht müde wird sicher zu stellen, dass das Geld für alle reichen wird, fordern Sie völlig undifferenziert immer neue Fördertöpfe für Unternehmer.

Das führt dann manchmal zu schon fast putzigen Schnellschüssen, über die man unter normalen Umständen hinwegsehen würde.

In diesem Fall sind diese Schnellschüsse aber deswegen so stilbildend für Ihre Parlamentsarbeit, weil Sie der Landesregierung fehlende Professionalität vorwerfen – selbst aber Förderprogramme entwerfen, deren Sinnhaftigkeit sich mir leider auch auf dem zweiten oder dritten Blick nicht erschließt.

Oder können Sie mir schlüssig erklären, was die „Eigenkapitalzuschüsse für Unternehmen, Betriebe und Selbstständige“ sein sollen, die Sie fordern? Wie das funktionieren soll? Ich habe mich lange mit Fachleuten darüber unterhalten: Die verstehen das leider auch nicht.

Ist dieser Zuschuss dann Eigenkapital oder ein zurückzuzahlender Zuschuss, sozusagen ein abzulösender Kredit?

Erhält der Staat im Gegenzug dann Anteile am Unternehmen, und wie wird das wohl dem Eigentümer gefallen, dass auf einmal in ihr Unternehmen hereingeredet werden soll?

Und so zieht sich das durch den von Ihnen zu den Corona-Hilfen vorgelegten Antragsentwirf: Sie verwechseln „Vorsteuer“ mit „Steuervorauszahlung“, wollen Kommunen in Unkenntnis unserer Verfassung eine „uneingeschränkte Handlungsfreiheit“ zugestehen und was bitte ist eine „negative Gewinnsteuer“?

Bei allem Respekt: Wenn Sie schon meinen, die Regierung in dieser Krise treiben zu müssen, dann machen Sie es handwerklich bitte so, dass wir das auch ernst nehmen können. In dieser Form entspricht der Antrag einfach nicht den Ansprüchen, die Sie von anderen einfordern.

Meine Damen und Herren, die Menschen in diesem Land vertrauen ihren gewählten Entscheidungsträgern. Das ist in einer Krise sehr wichtig, zugleich aber auch Auftrag, dieses Vertrauen nicht zu verspielen. CDU und SPD werden dieses Land gut durch die Krise führen und laden alle anderen gerne ein, konstruktiv daran mitzuarbeiten. Die Chancen stehen gut, dass Deutschland nach der Krise schnell wieder auf die Beine kommt.

Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass die Experten nicht irren. Herzlichen Dank!

 

veröffentlicht am 23.04.2020