Rede des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Landtagsfraktion, Jens Nacke, zu TOP 20 „23. Parlamentarischer Untersuchungsausschuss – ,Mögliche Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen‘“

– Es gilt das gesprochene Wort! –

Der 23. Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat seine Arbeit abgeschlossen. Über ein Jahr haben wir uns intensiv mit der Bekämpfung des Islamismus und Salafismus in Niedersachsen befasst. Aus Sicht der CDU-Fraktion war es ein guter Untersuchungsausschuss, der uns wesentliche Erkenntnisse für unsere zukünftige Arbeit geliefert hat.

Die Bekämpfung des Islamismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine Aufgabe, die wir nicht allein den Sicherheitsbehörden im Land überlassen können und wollen. Die Ideologie des Islamismus passt nicht zu den Grundwerten unserer Gesellschaft. Wer seine Religion über den Glauben anderer Menschen stellt, wer seinen Nachbarn herabsetzt, weil der kein Moslem ist oder weil er seinen muslimischen Glauben freier und liberaler lebt, wer seinen Nachbarn als Ungläubigen bezeichnet und deshalb bekämpfen, schaden oder sogar töten will, der hat in diesem Land nichts zu suchen. Islamismus und Salafismus sind keine erlaubte Form der Religionsausübung. Sie sind verfassungsfeindlich.

Das eben Gesagte gilt übrigens ausdrücklich auch für den sogenannten politischen Salafismus. Hier ist der amtierenden Landesregierung ein schweres Versäumnis vorzuwerfen. Mit völlig falsch verstandener Toleranz haben Sie geglaubt, Sie könnten Ihr Ziel einer Vereinbarung mit den Vertretern der muslimischen Gemeinden nur erreichen, wenn Sie die Bemühungen gegen den Salafismus zurückfahren. Sie haben damit dem Salafismus in diesem Land einen Raum gegeben. Die salafistisch dominierten Moscheen wie die DIK Moschee in Hildesheim, die DIK Moschee in Hannover, die DMG in Braunschweig und die Gruppe um Yassine Ossiafi in der DITIB Moschee in Wolfsburg haben diesen Raum genutzt, um Kämpfer für den Dschihad zu werben. Viel zu viele Gewalttäter aus Niedersachsen haben das Land verlassen und in den Kriegsgebieten Syriens und des Irak hunderten Menschen das Leben genommen. Namen wie Abu Walaa oder Muhamed Ciftci stehen beispielhaft für Hassprediger, die in Niedersachsen und von Niedersachsen aus ihre mörderischen Ideen in die Köpfe verführbarer junger Menschen gesetzt haben. Die Verantwortung für diese Sicherheitslücke lässt sich im Ergebnis bis auf den Ministerpräsidenten zurückführen. Er wollte das Ziel eines Islamvertrages erreichen und hat dafür die Behinderung der Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des Salafismus bewusst in Kauf genommen. Das ließ sich in den vorgelegten Unterlagen eindeutig nachvollziehen. Ich verweise hier auf die Berichterstattung vom heutigen Tage im Rundblick, wonach sich der Ministerpräsident persönlich eingeschaltet hat, damit der Verein Milli Görüs nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Dabei wäre doch das Gegenteil richtig gewesen. Die Bekämpfung des Islamismus kann doch nur gemeinsam mit den Vertretern der islamischen Gemeinden bewältigt werden, die einen friedlichen und toleranten Glauben leben und gegenüber ihren Mitgliedern propagieren. Diese ganz große Mehrheit der Menschen muslimischen Glaubens brauchen wir bei diesem Kampf an unserer Seite. Eine wichtige Aufgabe, an der Sie gescheitert sind.

Der Untersuchungsausschuss hat aus unserer Sicht erhebliche Schwächen bei der Zusammenarbeit staatlicher Stellen deutlich gemacht. Beispielhaft seien die beiden jugendlichen Geschwister Safia und Saleh S. genannt. Nur zufällig haben ihre mörderischen Aktivitäten niemandem das Leben gekostet. Ich erinnere aber in diesem Zusammenhang an die schweren Verletzungen des Bundespolizisten im Hauptbahnhof Hannover.

Die ideologische Verblendung der Geschwister Safia und Saleh S. und ihre Hinwendung zur Gewalt war erkennbar. Es gab Warnungen aus der Familie, aus der Schule, erhebliche Fehlzeiten bis hin zur totalen Schulverweigerung. Es gab Hinweise auf den Kontakt zum Hassprediger Pierre Vogel. Der Verfassungsschutz verwendete ein entsprechendes Video als abschreckendes Beispiel. Trotzdem verhinderte die Behördenleitung das zulässige Speichern der jungen Menschen. Die Sicherheitsbehörden kannten die einzelnen Mitglieder der Terrorzelle aus Hannover, die Koranverteilaktionen in der Innenstadt, die kriminellen Aktivitäten, mit denen sie bereits früh auf sich aufmerksam gemacht haben. Sie wussten von dem Ausreiseversuch Safias und hatten nach der Beschlagnahme ihres Telefons die Beweise für ihre Radikalisierung und ihre Terrorabsicht in der Asservatenkammer. Eine Auswertung unterblieb. Stattdessen konnte Saleh nach seinem Anschlag ungehindert ausreisen und es ist der türkischen Polizei zu verdanken, dass er überhaupt in Deutschland zur Rechenschaft gezogen werden konnte.

Bis zu ihren Anschlägen hat sich niemand um diese Kinder gekümmert. Ihre Direktive war: Kinder bis 16 Jahren sind per se nicht gefährlich, Kinder brauchen Hilfe. Diese Kinder waren aber gefährlich, sehr gefährlich sogar. Geholfen hat ihnen aber keiner. Jetzt ist es zu spät. Jetzt bleibt nur noch einsperren. Das muss Sie doch nachdenklich machen.

Niedersachsen muss hier besser werden. Wir brauchen ein enges Miteinander der Schulen, der Jugendämter, der Sozialämter und der Beratungsstellen untereinander, aber auch mit der Polizei und dem Verfassungsschutz. Rot-Grün verengt die Arbeit der Sicherheitsbehörden auf ihre repressiven Aufgaben. Das Misstrauen insbesondere der Grünen gegenüber der Polizei und dem Verfassungsschutz ist immer noch mit Händen zu greifen. Ich stelle daher ausdrücklich fest: Ihr Verständnis von den Sicherheitsbehörden ist nicht unsere Vorstellung von Polizei und Verfassungsschutz. Wir vertrauen den Polizistinnen und Polizisten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden und sehen sie als Partnerinnen und Partner der Prävention, denn Prävention ist ein wesentliches Element der Gefahrenabwehr.

Es ist aber auch Teil der Wahrheit, dass Prävention nicht jede geplante Gewalttat verhindern kann. Wir brauchen deshalb leistungsstarke Sicherheitsbehörden für die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung. Das gilt ausdrücklich auch für den Verfassungsschutz. Ihr Ziel war es, diese Behörden unter dem Vorwand besserer Kontrolle zu schwächen. Aus unserer Sicht müssen diese Einrichtungen gestärkt werden.

Dazu bedarf es drei wesentlicher Maßnahmenpakete: Als Erstes brauchen wir moderne Gesetze für die Polizei und den Verfassungsschutz. In keinem anderen Politikbereich war die gegenseitige politische Blockade von Rot-Grün schädlicher als in der Sicherheitspolitik. Eine Blockade, die zu Lasten der Sicherheit der Menschen in Niedersachsen geht. Wir fordern dabei gar nichts revolutionär Neues. Wir wollen für die Polizei einen Katalog von Maßnahmen, um passgenau auf eine Gefährdungslage reagieren zu können. Maßnahmen, die der Bundespolizei und anderen Landespolizeien zur Verfügung stehen. Wir brauchen vernünftig geregelte Aufenthaltsge- und -verbote und Meldeauflagen, wir brauchen die elektronische Aufenthaltskontrolle, also die sogenannte Fußfessel, die gesetzliche Regelung der Bodycam mit der Möglichkeit der Tonaufnahme und die Regelung des sinnvollen Einsatzes von Kameras. Viele dieser Forderungen hat auch der niedersächsische Innenminister schon aufgestellt. Eine Umsetzung seiner Ankündigungen ist allerdings nie wirksam in Angriff genommen worden. Ein schweres Versäumnis.

Und wir brauchen einen wirksamen Unterbindungsgewahrsam, wenn Attentäter sicher belegbar einen Anschlag planen und anderen Menschen das Leben nehmen wollen, so wie es bei den Göttinger Gefährdern möglich war. Herr Minister, bis heute sind Sie den Menschen eine Antwort schuldig, warum Sie sich dafür feiern lassen, wenn Sie Ausländer einsperren lassen, weil bundesrechtliche Reglungen es Ihnen ermöglichen, aber bei Deutschen solche Maßnahme als verfassungswidrig betrachten. Wir können doch nicht warten, bis ein Anschlag geschieht. Wir müssen vielmehr alles unternehmen, um das Leben der Menschen zu schützen, wenn den Behörden Anschlagspläne bekannt werden.

Der Untersuchungsausschuss hat im Übrigen deutlich gezeigt, wie sehr politische Vorgaben hinsichtlich einzelner polizeilicher Maßnahmen die Arbeit der Sicherheitsbehörden behindern. Bei der Speicherung Minderjähriger durch den Verfassungsschutz wurde geltendes Recht nicht angewendet, bei der Kontrolle der Wolfsburger Ausreiser und den Besuchen der Hasspredigten von Abu Walaa unterblieben notwendige polizeiliche Maßnahmen mit ausdrücklichem Verweis auf den politischen Willen von Rot-Grün. Dafür, Herr Minister Pistorius, tragen Sie die Verantwortung.

Ein weiterer Mangel, den der Untersuchungsausschuss deutlich gemacht hat, ist der fehlende Austausch der Informationen unter den Sicherheitsbehörden.

Wir haben heute Morgen darüber gesprochen.

Als Zweites hat der Untersuchungsausschuss sehr deutlich gemacht, dass die Sicherheitsbehörden personell unterbesetzt sind. Wir brauchen im Land mehr Polizistinnen und Polizisten. Selbst die Grünen haben ihren Widerstand dagegen inzwischen aufgegeben. Die allgemeine Personalnot bei der Polizei zeigte sich auch bei der Bekämpfung des Islamismus. Insbesondere in der Folge der Absage des Fußballländerspiels in Hannover wurden viele Hinweise verspätet oder unzureichend bearbeitet. Darunter auch ein Hinweis der Großmutter von Safia S. zu deren Radikalisierung, der über Monate liegen blieb. Das LKA war aufgrund der vielen Ausreiser in die Kriegsgebiete in Syrien und Irak nicht mehr in der Lage, die Fälle zu bearbeiten. In Wolfsburg, Braunschweig und in Hildesheim richtete man noch gemeinsame Ermittlungsgruppen zwischen LKA und Flächenbehörde unter der Federführung des LKA ein. In Hannover wurde darauf aus Kapazitätsgründen verzichtet, obwohl die DIK Moschee in Hannover eindeutig ein Schwerpunkt des Islamismus in der Region und darüber hinaus ist. Eine einfache Internetrecherche macht deutlich, wie viele Hassprediger hier seit Jahren auftreten. Hier wurde die Terrorzelle aus Hannover radikalisiert.

Ich sage es hier ganz deutlich: Der Trägerverein der DIK Moschee in Hannover ist verfassungswidrig. Es ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, dass dieser Verein nicht längst verboten und die Moschee in Hannover geschlossen wurde. Der Grund dafür ist, dass die Sicherheitsbehörden bisher nicht in der Lage waren, die notwendigen Beweise gerichtsfest zusammenzutragen. Gleiches gilt für die DMG Moschee in Braunschweig, in der der Hassprediger Muhamed Ciftci sein Unwesen treibt. Von diesem Mann liegen Tausende von Videobotschaften vor. Die geplante Auswertung durch die Sicherheitsbehörden ist bis heute unterblieben.

Die Menschen in unserem Land haben den berechtigten Anspruch, dass Polizei und Verfassungsschutz ihre Aufgaben erfüllen können. Die CDU will daher bis 2022 3000 zusätzliche Stellen bei der Polizei ausweisen und den Verfassungsschutz stärken – aus unserer Sicht ein unverzichtbarer Beitrag zur inneren Sicherheit in unserem Land.

Der Dritte wichtige Punkt ist das Anrecht unserer Sicherheitsbehörden auf politischen Rückhalt. Der Untersuchungsausschuss hat sehr deutlich gemacht, dass es bei Rot-Grün an diesem Rückhalt fehlt. Das gilt für die Polizei und ganz besonders für den Verfassungsschutz. Der Nachrichtendienst wurde von Ihnen von Anfang an geschwächt und in Misskredit gebracht – eine schwache Präsidentin, die nur den Auftrag des Innenministers erfüllt, auf keinen Fall Ärger zu machen. Interne Kritik wurde von ihm unterdrückt. Verbesserungsvorschläge der Fachkollegen verworfen und vor den Vorgesetzten im Ministerium verheimlicht. Die Belege dafür liegen vor, wurden aber vom Ministerium als geheim eingestuft. Das alles mündet in die Aussage der Präsidentin bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes: Gehen Sie davon aus, wir wissen genau das, was die Polizei auch weiß.

Der Verfassungsschutz unter Frau Brandenburger erfüllt seine Aufgabe nicht. Das liegt nicht an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das liegt an der Hausspitze. Die politische Verantwortung für dieses Organisationsversagen trägt der Innenminister. Es ist dringend an der Zeit, die Präsidentin des Verfassungsschutzes abzulösen.

Unsere Sicherheitsbehörden haben eine Landesregierung verdient, die ihnen vertraut und ihnen den Rücken stärkt. Die Wählerinnen und Wähler haben es jetzt in der Hand.

Die Fraktionen von SPD und Grüne haben versucht, den Einsetzungsauftrag zu verwässern und dabei die Verfassung gebrochen. Der Innenminister hat durch die Anordnung einer restriktiven Aktenvorlage versucht, möglichst viele Verfehlungen zu verheimlichen. Er hat mit Maulkörben bei den Aussagegenehmigungen versucht, die Zeugen einzuschüchtern. In einigen Fällen ist es ihm gelungen. Der Umgang des Ministers mit dem Parlament kann daher nur als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet werden.

Der Untersuchungsausschuss hat viel zutage gebracht. Ich bedanke mich daher abschließend bei den Kolleginnen und Kollegen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landtagsverwaltung und aus den Ministerien und nicht zuletzt unserem Ermittlungsbeauftragten Dr. Wahl für die Arbeit. Sie hat sich gelohnt. Dieser Untersuchungssauschuss war richtig und wichtig.

veröffentlicht am 21.09.2017