Rede des CDU-Landtagsabgeordneten Kai Seefried zu Top 13 „Entwurf eines Gesetzes zum Erhalt der Förderschule Lernen“
– Es gilt das gesprochene Wort! –
In den vergangenen Jahren haben wir in diesem Haus viel über die Umsetzung der schulischen Inklusion diskutiert. In dem Ziel sind sich eigentlich alle Fraktionen einig: Wir wollen Inklusion. Wir wollen das Recht auf Teilhabe. Es handelt sich um ein Menschenrecht. Wir wollen es umsetzen.
In dieser kurz zusammengefassten Aussage gibt es im Grundsatz keinen Unterschied. Riesige Unterschiede gibt es jedoch bei der Frage wie die Umsetzung aussehen soll. Während bei der Zieldefinition Einigkeit besteht, wird die Umsetzung traurigerweise immer mehr zu einem Streitthema. Dabei war es immer das Ziel, gerade die Umsetzung der Inklusion in möglichst großer politischer Einigkeit umzusetzen. Auch als wir 2012 unter der Regierungsverantwortung der CDU das Schulgesetz beschlossen haben. Damals gab es eine breite politische Mehrheit, die SPD hat unseren Vorschlag mit unterstützt – nur die Grünen waren dagegen.
Heute sind wir von dieser Einigkeit weiter entfernt denn je! Nach der umfassenden parlamentarischen Beratung einiger Anträge zur Inklusion, die ganze Maßnahmenbündel umfassen, wollen wir mit dem heute hier vorgelegten Gesetzentwurf nochmal eine Brücke zu mehr Einigkeit hier im Parlament bauen. Es wäre ein erster, ein sehr leicht umsetzbarer Schritt, der für die Wahlfreiheit der Eltern und die bestmögliche Förderung der Kinder eine große Bedeutung hat. Es geht in unserem Gesetzentwurf nur um einen Satz, der im Schulgesetz geändert werden muss: „Bestehende Förderschulen im Förderschwerpunkt Lernen können im Sekundarbereich I weitergeführt werden.“ Eine kleine Ergänzung im §183c Abs. 5, die viel bewegen kann und wieder einen Schritt zu mehr Einigkeit hier im Haus beitragen kann.
Sie versuchen hier den Menschen in Märchen zu erzählen. Sie versuchen den Menschen zu erzählen, dass wir ein Menschenrecht aussetzen wollen.
- Wir stehen zur Inklusion ohne Wenn und Aber.
- Wir wollen, dass Inklusion gelingt.
- Wir wollen, dass die Kinder im Mittelpunkt stehen.
- Wir wollen den Druck herausnehmen.
- Wir müssen die Rahmenbedingungen verbessern.
- Wir brauchen jetzt ein Moratorium für ein Jahr. Moratorium heißt nicht Stillstand! Wir wollen damit keinen Stillstand und auch keine Rückabwicklung der Inklusion.
- Wir wollen, dass jetzt sofort Schluss mit der Abschaffung der Förderschulen ist.
- Wir wollen, dass gute bestehende Netzwerke bestehen bleiben können.
- Wir wollen, dass jetzt keine weiteren Fakten geschaffen werden.
- Der von Rot-Grün eingeschlagene Weg hin zu einer Inklusion ohne Wahlfreiheit, ohne Alternative, muss gebremst werden, bevor die Fakten unumkehrbar sind.
- Wir wollen nicht, dass Eltern verboten wird, die richtige Schule für Ihr Kind auszuwählen. Noch ist es nicht zu spät!
In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 11. Mai 2017 sagte der Landesvorsitzende des Verbands Sonderpädagogik (VDS), Herr Reinhard Fricke: „Mehr Flexibilität für die einzelnen Standorte und weniger starre Ideologie wären schön.“ Damit hat er Recht. Wir wollen die Wahlfreiheit! Die Eltern sollen entscheiden können, wo der beste Förderort für ihr Kind ist. Inklusion darf nicht heißen etwas zu verbieten. Inklusion muss bedeuten, etwas zu ermöglichen. Wir brauchen jetzt kein Weiter so, sondern eine Zeit der Besinnung, um die Inklusion in Niedersachsen wieder vom Kopf auf die zu Füße stellen.
Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität. Die aktuelle Situation an den Schulen in Niedersachsen lässt sich nicht schön reden. Nein es läuft nicht rund! Ich nenne als Beispiele neben der Inklusion die niedrigste Unterrichtsversorgung seit 15 Jahren, die Flüchtlingskinder an unseren Schulen, die Veränderungen in unserer Gesellschaft, die dazu führen, dass zusätzliche Bedarfe entstehen. Sie nehmen die Realität jedoch nicht zur Kenntnis. Sie loben sich selbst für die gestiegene Inklusionsquote. Die von der Ministerin vorgestellten Zahlen zeigen jedoch ein ganz anderes Bild, als es Rot-Grün gerne darstellen möchte:
- Es fehlt die Wahlmöglichkeit zwischen Inklusion und der Förderschule Lernen, denn Sie haben diese abgeschafft.
- Die Zahl der festgestellten Förderbedarfe steigt.
Die Nordwest Zeitung schrieb dazu am 11. Mai 2017: „Dass die Zahlen einen Zuwachs der Inklusion belegen, überrascht nicht. Welche Wahl haben Eltern, wenn die Landesregierung Förderschulen schließt? Es grenzt an Zynismus, da noch von Elternwille zu sprechen.“
Inklusion ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wollen, dass sie gelingt. Das Kindeswohl muss im Mittelpunkt stehen. Es geht um die Kinder! Heute haben wir noch die Chance etwas zu verändern. Wir haben den Gesetzentwurf bewusst nur auf einen Bereich konzentriert. In der vergangenen Woche haben wir die großen Anträge zur Inklusion im Kultusausschuss abgestimmt. Unser sehr umfassender Antrag mit vielen einzelnen Forderungen wurde dort von Rot-Grün abgelehnt. Heute geht es ganz konkret um die 5. Klassen der Förderschulen Lernen, in die nach den Sommerferien nicht mehr eingeschult werden wird, wenn dieses Vorhaben heute hier nicht gestoppt wird. Davon haben wir derzeit noch 150 dieser Schulen in Niedersachsen.
Wenn wir heute hier im Landtag gemeinsam auf die aktuelle Situation in unseren Schulen reagieren, wenn sich alle einmal ehrlich machen, und nicht die parteipolitische Ideologie die Abstimmung beeinflusst, dann können wir heute hier im Landtag bereits ein Bekenntnis für den Erhalt der Förderschule Lernen abgeben. Dann ist es heute noch nicht zu spät! Dann haben wir heute noch die Möglichkeit, die Weichen neu zu stellen. Ich möchte Sie dazu auffordern, das Kindeswohl und die berechtigten Forderungen der Eltern ernst zu nehmen.
Wenn heute die Fraktionen von SPD und Grünen ihre Position ändern und unserem Antrag zustimmende Signale geben, könnten das Kultusministerium und die Landesschulbehörde bereits im Vorgriff des Beschlusses der Gesetzänderung reagieren und die anstehenden Schulschließungen verhindern. Heute haben wir hier im Landtag die letzte Chance, den Schulen, den Lehrkräften, den Eltern und vor allem den Kindern und Jugendlichen eine Perspektive aufzuzeigen.