Rede des Parlamentarischen Geschäftsführers der CDU-Landtagsfraktion Jens Nacke zu TOP 17 „70 Jahre Niedersächsischer Landtag – 70 Jahre für Demokratie und Weltoffenheit“

– Es gilt das gesprochene Wort! –

Sehr geehrte Damen und Herren,

Die Fraktionen von SPD und Grüne haben heute einen Antrag zum Thema 70 Jahre Niedersächsischer Landtag vorgelegt.

Ein wichtiges Jubiläum in der Geschichte unseres Landes. Der Niedersächsische Landtag hat dieses Ereignis am Montag in einen würdigen Festakt gedacht, der sich wohltuend abhob von der Veranstaltung der Landesregierung zum 70. Geburtstag des Landes im vergangenen Jahr. Ich möchte mich daher zunächst herzlich bei Landtagspräsident Busemann und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtages bedanken.

Der heute vorgelegte Antrag wird allerdings nicht die Zustimmung der CDU-Fraktion erhalten. Er wird dem Anlass schlicht und einfach nicht im Ansatz gerecht. Er ignoriert wichtige Teile der Geschichte des Landes und ist ein recht plumper Versuch, den historischen Anlass für Wahlkampfzwecke zu missbrauchen. Ihr Antrag steht damit in einer Reihe mit dem Grußwort des Ministerpräsidenten vom Montag.

Meine Damen und Herren,

viele von uns hatten am Montag die Möglichkeit, dem großartigen Festvortrag des Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, zu verfolgen. Juncker warf mit den Augen eines Luxemburgers und überzeugten Europäers einen Blick auf die Geschichte und Bedeutung des Landes Niedersachsen.

Seine wesentlichen historischen Punkte waren dabei die große Leistung der Aufnahme von Vertriebenen, der Wiederaufbau des Landes und die Deutsche Einheit. Diese wesentlichen Themen finden in ihrem Antrag nicht statt.

Meine Damen und Herren,

Niedersachsen in das Land des Grenzdurchgangslagers Friedland. Dieser Ort steht wie kein anderer für die Aufnahme von Vertriebenen, Kriegsheimkehrern, DDR-Flüchtlingen, Spätaussiedlern und Flüchtlingen aus der ganzen Welt. Er war für mehr als vier Millionen Menschen das „Tor zur Freiheit“ und ist es bis heute. Sie jedoch reduzieren die lange und segensreiche Geschichte der Aufnahme und Integration von Hilfe- und Schutzsuchenden auf die aktuelle Flüchtlingsfrage, die bei ihnen ja bei jeder Gelegenheit als Ausrede für ihre Versäumnisse herhalten muss. Zur Erinnerung: Niedersachsen hat über 1,8 Millionen Vertriebenen eine neue Heimat gegeben. Jeder vierte Niedersachse war Vertriebener. Eine höhere Quote gab es in keinem anderen Bundesland. Unsere Wurzeln liegen auch in Schlesien, Ostpreußen und den anderen Gebieten, aus denen Deutsche vertrieben wurden.

Auch die Aufnahme von tausenden vietnamesischer Flüchtlinge findet bei Ihnen keine Erwähnung, obwohl Niedersachsen unter der Verantwortung von Ministerpräsident Ernst Albrecht hier eine entscheidende Rolle gespielt hat. Was haben Sie sich dabei gedacht, diesen wichtigen Teil der Landesgeschichte einfach wegzulassen?

Meine Damen und Herren,

Niedersachsen ist das Land Bergen-Belsens. Dieser Ort steht für das Gedenken an die schrecklichen Gräueltaten, die in deutschem Namen begangen wurden. Wir tragen die Verantwortung, das Gedenken zu bewahren und für zukünftige Generationen sichtbar zu machen. Bis zum heutigen Tage ist die Aufklärung und Aufarbeitung der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur nicht abgeschlossen. Erst kürzlich beschäftigte sich der Landtag mit der Lebensgeschichte Hinrich-Wilhelm Kopfs, der sich als erster Ministerpräsident um unser Land verdient gemacht hat, der aber während der Zeit des Nationalsozialismus Schuld auf sich geladen hat. Kein Wort davon in Ihrem Antrag. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Kopf ist auch ein wichtiger Teil Ihrer Geschichte. Ihn schamvoll zu verschweigen wird der Geschichte nicht gerecht.

Meine Damen und Herren,

Niedersachsen ist das Land der längsten innerdeutschen Grenze aller deutschen Bundesländer. Niedersachsen war daher wie kein anderes westdeutsches Land durch die Folgen der Deutschen Teilung belastet. Die deutsche Wiedervereinigung war und ist für Niedersachsen ein Grund zur Freude und zur Dankbarkeit. Ich bin Jean-Claude Juncker dankbar, dass er darauf in seiner Rede sehr deutlich hingewiesen hat. In Ihrem Antrag findet sich dazu nichts.

Niedersachsen ist auch das Land der zentralen Erfassungsstelle für DDR-Unrecht in Salzgitter. Allen Anfeindungen zum Trotz wurden in Salzgitter Informationen gesammelt, die in vielen Fällen die Grundlage waren, um den Opfern des DDR-Regimes Gerechtigkeit zu ermöglichen. Sie wollen aber an all das nicht erinnern. Die SPD wollte die Erfassungsstelle abschaffen, Gerhard Schröder machte sich noch kurz vor der friedlichen Revolution der Bürger der DDR über den Wunsch nach Wiedervereinigung lustig und unter seiner Verantwortung lehnte Niedersachsen die Wirtschafts- und Währungsunion im Bundesrat ab.

Meine Damen und Herren,

peinlich finde ich den Versuch, die zivilgesellschaftliche Initiative der evangelischen und der katholischen Kirche, der Gewerkschaften und Unternehmerverbände auf ihre Fahnen zu schreiben. Die Initiatoren von „Niedersachsen packt an“ finden bei Ihnen weder an dieser noch an einer anderen Stelle eine Erwähnung. Dies gilt beispielsweise für die Loccumer Verträge, die ebenfalls ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte des Landes sind. Auch die Kommunen erwähnen Sie nicht, dabei haben sie doch am Ende das Versagen des Innenministers bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise ausbaden müssen. Als Leistung des Landtages wäre noch am ehesten zu erwähnen, dass dieses Parlament mit einer Sondersitzung das Thema überhaupt erst auf die Agenda der Landesregierung gehoben hat. Ein über Jahrzehnte einmaliger Vorgang.

Ihre Auflistung der Herausforderung der Zukunft ist dann Wahlkampf pur. Sie klingt wie Schlagwörter von Ihren Wahlplakaten. Jean-Claude Juncker hat in seiner Rede den wichtigen Industriestandort Niedersachsens angesprochen und die Bedeutung unseres Landes in der Mitte Europas angesprochen. Sie haben das nicht auf der Agenda. Die Digitale Revolution wird unser Leben in jedem Bereich verändern. Die rasanten Veränderungen in der Mobilität sind doch für die Heimat des größten Autobauers der Welt von großer Bedeutung. Aber VW findet bei Ihnen ebenfalls nicht statt.

Die Bedrohung des internationalen Terrorismus, die innere und die soziale Sicherheit, die Bewahrung der Umwelt und die gleichmäßige Entwicklung der Infrastruktur in allen Landesteilen spielen für Se keine Rolle. Ich könnte weitere Punkte nennen. Es ist nicht nur eine Liste der Herausforderungen, es sind auch Ihre Schwachpunkte. Also lassen Sie sie lieber weg. Konkret werden Sie nur, wenn das Land gar keine Zuständigkeit hat. Beispielsweise bei Renten- und Arbeitsmarktfragen. Hier schleicht sich dann der Bundestagswahlkampf ein.

Meine Damen und Herren,

Am Ende erdreisten sie sich sogar, von einer Bewahrung der politischen Kultur zu sprechen, die kontrovers in der Sache aber respektvoll im Verfahren sein soll. Die Regierung Weil indes wird in der Geschichte des Landes doch in Erinnerung bleiben als eine, die in unfassbarer Weise gegen die verfassungsrechtlich gewährleisteten Abgeordneten und Minderheitenrechte verstoßen hat. Keine andere Landesregierung hat derart häufig gegen die Verfassung verstoßen. Auf süffisante Lippenbekenntnisse können wir da auch verzichten. Und das gilt für den Ministerpräsidenten bei Festakten und auch für die Fraktionen von SPD und Grüne in selbstbeweihräuchernden Wahlkampfanträgen.

veröffentlicht am 17.05.2017