Rede des CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Max Matthiesen zu TOP 28) Haushaltsberatungen 2017/2018 – Haushaltsschwerpunkt Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration
Es gilt das gesprochene Wort!
Wir beraten heute den letzten Sozial-Haushalt der rot-grünen Koalition in Niedersachsen. Die Schlussbilanz fällt mager aus. Es passt die Überschrift: als Tiger gestartet – als Bettvorleger gelandet. Zumindest in den Kernbereichen der niedersächsischen Sozialpolitik hinterlassen Sie Ihren Nachfolgern große Baustellen:
1. Krankenhausbau
Das gilt für den Krankenhausbau. Obwohl Ihr Finanzminister hunderte von Millionen Euro zusätzlicher Steuereinnahmen erhält, verfallen Sie lieber auf den „Enkeltrick“ – genannt Sondervermögen:
Zur Finanzierung ihrer Krankenhausbaumaßnahmen müssen Krankenhäuser selbst Kredite aufnehmen. Das Land will diese Kredite über einen Zeitraum von 25 Jahren mit 32 Millionen Euro jährlich verzinsen und tilgen. Das sind für das Land netto pro Jahr aber nur etwa 10 Millionen Euro zusätzliche Mittel. Die Kommunen tragen etwa 8 Millionen Euro. Und der Rest kommt aus der Kürzung der Bettenpauschale. Für den Zeitraum 2016-2020 steht mit dieser Langfristfinanzierung ein Sondervermögen von 650 Millionen Euro zur Verfügung. Das wird zwar helfen, die neue Prioritätenliste über 1,83 Milliarden Euro Investitionsbedarf zu einem Teil abzubauen. Aber die Liste ist unvollständig und wächst jährlich weiter auf. Der Liste ist zudem zu entnehmen, dass künftig Krankenhausbaumaßnahmen fast nur noch aus dem Sondervermögen sprich über Kredite finanziert werden sollen.
Hier ist nicht geprüft, ob gerade Krankenhäuser Kredite aufnehmen können, die besonders darauf angewiesen sind. Denn sie dürfen nicht gegen das Überschuldungsverbot verstoßen. Das Krankenhausgesetz des Landes schreibt aus gutem Grund vor, dass das Land mit den Kommunen für den Krankenhausbau Zuschüsse bereitstellen soll und nicht Kredite, die künftige Landeshaushalte belasten und künftige Haushaltsspielräume einengen.
Deswegen hat die CDU-Fraktion den Haushaltsantrag gestellt, den Betrag von zurzeit 120 Millionen Euro jährlich im allgemeinen Krankenhausinvestitionsprogramm um 120 Millionen Euro frisches Geld in Gestalt von 4 Verpflichtungsermächtigungen aufzustocken und damit Zuschüsse bereitzustellen anstatt Kredite der Krankenhäuser zu bedienen. Die CDU-Fraktion verfolgt auch damit weiterhin als Leitlinie der Krankenhausplanung und –förderung die bürgernahe, humane und leistungsfähige Krankenhauslandschaft in Niedersachsen – in Trägervielfalt mit freigemeinnützigen, kirchlichen Krankenhäusern, kommunalen und privaten Krankenhäusern. Dagegen haben die rot-grünen Mehrheitsfraktionen bereits vor rund 2 Jahren auf einen zentralistischen Krankenhausdirigismus in Niedersachsen zugesteuert.
Nach dem damaligen Beschluss vom 18.3.2015 soll eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage geschaffen werden, um Krankenhäuser aus dem Krankenhausplan zu nehmen, wenn sie „ planungsrelevante Qualitätsindikatoren des Landes“ nicht ausreichend erfüllen. So soll ein Krankenhaus aus dem Plan genommen werden, wenn es angeblich die Aufgaben der Notfallversorgung nicht erfüllt. Dadurch will rot-grün die Zahl der Krankenhäuser verringern und so letzten Endes Investitionsmittel des Landes einsparen. Das lehnt die CDU-Fraktion ab. Aktuell stellt sich die Gretchenfrage, wie es rot-grün in Niedersachsen mit den neuen Qualitätsindikatoren des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in der Krankenhausplanung hält. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Anforderungen des G-BA erhebliche Auswirkungen auf die Sicherstellung der flächendeckenden Krankenhausversorgung in einem Flächenland wie Niedersachsen haben können.
Das neue Krankenhausstrukturgesetz des Bundes räumt den Ländern aber die Möglichkeit ein, die automatische Übernahme dieser Qualitätsindikatoren in den Krankenhausplan ganz oder teilweise auszuschließen. Die CDU-Fraktion fordert die Landesregierung und die Mehrheitsfraktionen auf, dies mit der anstehenden Novelle des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes zu tun. Es darf in Niedersachsen nicht so kommen, dass vordergründige Qualitätssicherung zur Versorgungssteuerung eingesetzt wird, um hinterher zu einer niedrigen Anzahl von Krankenhäusern zu kommen. Abgesehen davon muss die in Arbeit befindliche niedersächsische Krankenhausnovelle muss den Krankenhäusern bei allen Anforderungen an Qualität und Patientensicherheit die auch dafür notwendige Luft zum Atmen lassen, sei es bei den Stationsapotheken, der sogenannten „unit dose“, beim Rotationsverfahren oder beim sogenannten Whistleblowing. Hier darf das Land den Krankenhäusern keine überflüssigen Kosten aufbürden.
2. Hausärztliche Versorgung im Flächenland Niedersachsen
Die hausärztliche Versorgung ist neben den Krankenhäusern die zweite große Säule der Gesundheitsversorgung in Niedersachsen. Aber in weiten Teilen Niedersachsens, insbesondere außerhalb der großstädtischen Kerne, zeichnet sich ein deutlicher Ärztemangel in der hausärztlichen Versorgung ab. Viele Hausarztpraxen, deren Inhaber 60 Jahre und älter sind, stehen vor der Übergabe oder Schließung bzw. sind schon geschlossen, ob in Fürstenau oder Bergen, ob in Ronnenberg oder in Liebenau. Mit Blick auf neue Anforderungen wie Pallitiativversorgung, wegen drohender Regresse und auch wegen langer Arbeitszeiten bereitet es Schwierigkeiten, Nachfolger zu finden. Der gesellschaftliche Wandel erfordert neue Ansätze. So sind inzwischen von 10 Ärzteabsolventen 7 Frauen. Teilzeitbeschäftigungen als Folge von größerem Interesse an der Work-Life-Balance gerade von Ärztinnen und Ärzten mit Familien nehmen deutlich zu.
Die CDU-Landtagsfraktion hat nach intensiven Vorarbeiten im vergangenen September einen Entschließungsantrag gestellt, der gezielte Instrumente nennt, wie wir die flächendeckende Versorgung auch in Zukunft in Niedersachsen sicherstellen können. Aus berufenem Munde weiß ich, dass dieser Antrag viel Bewegung erzeugt hat. Vorletzte Woche hat nun das Sozialministerium mit einer langen Pressemitteilung „Land startet Stipendien-Programm zur Landärzte-Gewinnung“ so richtig auf den Putz gehauen. Das ist aber nicht der große Wurf, den die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag erreichen will. Das Sozialministerium stellt nur höchstens 96.000 Euro für höchstens 20 Studenten aus der Haushaltsstelle „Förderung der hausärztlichen Versorgung“ für ganz Niedersachsen zur Verfügung. Es rächt sich, dass die Regierungsmehrheit diese Haushaltsstelle auf nur 400 000 Euro jährlich zusammengekürzt hat.
3. Pflege
Die Pflegestärkungsgesetze I bis III verändern das Pflegegeschehen von ambulant bis stationär stark. Wir haben im Landtag in den letzten 1 bis 2 Jahren das Augenmerk stark auf die Gewinnung des dringend benötigten Fachkräftenachwuchses und damit die Arbeitsbedingungen und die Pflegequalität gelegt.
Im September hat der Landtag mit großer Mehrheit den Antrag „Generalistische Pflegeausbildung jetzt einführen!“ beschlossen. Wir hoffen, dass das nun im Bund auch klappt und dadurch die beruflichen Möglichkeiten der Pflegefachkräfte vielfältiger werden bei besseren Verdienst – und Aufstiegsmöglichkeiten. Mit dem Entschließungsantrag zur konzertierten Verwirklichung des Tarifvertrages Soziales in der Altenpflege hat sich die CDU-Fraktion ebenfalls für bessere Arbeitsbedingungen in den Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten eingesetzt und dabei besonders auf die Kostenfolgen für die Pflegebedürftigen, die Pflegekassen und die Kommunen hingewiesen. In der Folge haben die kommunalen Spitzenverbände, AOK und VDEK im Frühjahr dieses Jahres erklärt, tarifliche Bindungen bei den Vergütungsverhandlungen mit den Pflegeeinrichtungen zu berücksichtigen. Was nun noch fehlt, ist das Entscheidende: der Tarifvertrag. Die CDU-Fraktion appelliert an die Tarifvertragsparteien, diesen Rückenwind zu nutzen und bald zu einem Abschluss zu kommen.
Besonderes Augenmerk auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Pflegeheimen hat die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag vom August zur besseren Personalausstattung in den Pflegeheimen gelegt. Er fordert klar und deutlich die möglichst zügige Verbesserung der Personalausstattung und damit der Lebens- und Arbeitsbedingungen in der stationären Altenpflege und zwar schon, bevor das neue Personalbemessungssystem nach dem PSG II ab 2020 kommt. Mit diesem Ziel muss nun der Landesrahmenvertrag in der stationären Altenpflege unter Beteiligung des Landes fortgeschrieben werden. Das Sozialministerium hat errechnet, das die Verbesserung der Personalausstattung in den Pflegeheimen um 10 Prozent 220 Millionen Euro jährlich an zusätzlichen Kosten in Niedersachsen bedeuten würde. Nach dem jetzigen Stand der Verhandlungen von Pflegekassen und kommunalen Spitzenverbänden wird es nicht so weit kommen. Aber es wäre schon etwas gewonnen, wenn der Mindestpersonalschlüssel in der vollstationären Pflege möglichst zügig auf 90 Prozent der Personalkorridore und deutlich darüber hinaus angehoben würde. Dies hätte ebenfalls entsprechende Kostenfolgen für die Pflegebedürftigen und die öffentlichen Kostenträger.
4. Individuelle Hilfen in schwierigen Lebenslagen
Für wirksame inviduelle Hilfen in verschiedenen sozialen Bereichen hat die CDU-Fraktion deutliche Mittelaufstockungen beantragt. Das gilt insbesondere für die Betreuung schwerstkranker Kinder, die sozialpädagogische Betreuung jugendlicher Straftäter, die Betreuungsvereine, und die Schuldnerberatung und die Betreuung Nichtseßhafter.
5. Wohnungsbau
In weiten Teilen Niedersachsens haben wir nach wie vor einen sehr angespannten Wohnungsmarkt. Die derzeitige Knappheit an Wohnraum führt zu hohen Mieten. So lag in Hannover der Durchschnittswert der Angebotsmieten von Juli 2014 bis Juli 2015 nach einer Erhebung der Stadtverwaltung bereits bei rund 7,50 Euro/ qm².
Ganz viele Familien, Menschen mit mittleren und kleineren Einkommen brauchen dringend Wohnraum, finden aber keinen. Viele Familien mit Kindern bekommen inzwischen nicht einmal mehr einen Termin für Wohnungsbesichtigungen. Zehntausende Flüchtlinge drängen nun auf den allgemeinen Wohnungsmarkt, weil sie ihre Anerkennung erhalten und vom Rechtskreis des Asylbewerberleistungsgesetzes in den Rechtskreis des Sozialgesetzbuches II wechseln. Nach Schätzungen der Wohnungswirtschaft müssen in Niedersachsen jährlich rund 40 000 Wohnungen neu gebaut werden, davon ca. 1/3 mit sozialen Bindungen, d. h. mindestens 10 000 Sozialwohnungen pro Jahr.
Zurzeit werden aber nur ca. 25 000 Wohnungen insgesamt fertig gestellt. Auf mündliche Anfragen der CDU-Landtagsfraktion musste die Landesregierung einräumen, dass sie im Wohnraumförderprogramm in den 2 ½ Jahren von 2014 bis zum 30. Juni 2016 nur 1208 Sozialwohnungen im allgemeinen Mietwohnungsneubau gebunden hat und davon nur für 668 Wohnungen Bewilligungen erteilt hat. In den Haushaltsberatungen im Sozialausschuss am 29.9.2016 hat das Sozialministerium bestätigt, dass das seit Mitte vergangenen Jahres laufende 400-Millionen-Euro Kapitalmarkt-Kreditprogramm der NBank erst mit 62 Millionen Euro belegt sei plus weiteren 78 Millionen Euro in der Warteschleife, also nur zu gut einem Drittel.
Damit erreichen wir mit Abstand nicht die Stückzahlen an neuen Sozialwohnungen, die wir so dringend brauchen. Die Baukosten sind in Niedersachsen sehr unterschiedlich, so dass das Wohnraumförderprogramm mit seinen zinslosen Darlehn bisher nur teilweise wirkt. Wegen hoher Baukosten und notwendiger Anreizwirkungen müssen wir endlich in die Zuschussförderung einsteigen. Das fordert die CDU-Fraktion schon seit langem.
Nun plant die Landesregierung, im sozialen Mietwohnungsbau auf gewährte zinslose Darlehn nach Ablauf von 20 Jahren einen Tilgungszuschuss von 15 Prozent zu leisten. Dafür öffnen ihr die Bundesmittel von 400 Millionen Euro in den Jahren 2016 bis 2019 die Tür. Das Land will aber insgesamt nur 75 Millionen Euro für die Zuschussförderung aufwenden und im übrigen weiterhin nur zinslose Baudarlehn ausreichen. Damit werden wir nicht entscheidend weiterkommen. Die CDU-Fraktion fordert, dass das Land in erheblich höherem Umfang den Neubau bezahlbarer Mietwohnungen für kleine und mittlere Einkommen mit Zuschüssen fördert. Und dies auch mit den in der Vergangenheit sehr bewährten Aufwendungszuschüssen oder allgemeinen Baukostenzuschüssen, um nicht nur große Wohnungsgesellschaften anzusprechen, sondern auch zahlreiche kleinere Bauherren.
Das Land Niedersachsen ist zuständig für den sozialen Wohnungsbau und muss deshalb eigene Steuermittel zusätzlich zu den großzügig gewährten Bundesmitteln einsetzen. Das verweigert rot-grün bisher beharrlich. Dem gegenüber beantragt die CDU-Fraktion, insgesamt 130 Millionen Euro für Investitionszuschüsse im Wohnungsbau in den Haushalt einzusetzen. Damit wollen wir neben neuen bezahlbaren Mietwohnungen auch den Bau von Eigenheimen für Familien mit Kindern fördern – Stichwort: Baukindergeld.
Damit einhergehen muss, dass die ungenutzten Möglichkeiten des kostensparendes Bauens genutzt, energetische Standards nicht übertrieben werden, Planverfahren abgekürzt werden. Dringend notwendig ist auch die verstärkte kommunale Ausweisung von Bauland für den Mehrfamilienhausbau. Hier kann ich auf ein schönes Beispiel der Stadt Gehrden verweisen. Sie entwickelt gerade ein neues Baugebiet mit rund 50 Grundstücken für Einfamilienhäuser und Platz für bis zu 8 mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser.
6. Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit
Viele Menschen fühlen sich durch ihre Langzeitarbeitslosigkeit abgehängt.
Der Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit ist deshalb ebenfalls eine große ungelöste Herausforderung in Niedersachsen. Die Regierungsfraktionen wollen dafür einen Betrag von 10 Millionen Euro aufwenden und 1000 Langzeitarbeitslose bei kommunalen Arbeitgebern und sozialen Betrieben sozialversicherungspflichtig beschäftigen.
Das sind aber nur 1 Prozent der rund 100 000 Langzeitarbeitslosen in Niedersachsen. Die CDU-Fraktion ist der Auffassung, dass die geplanten Landesmittel wirkungsvoller eingesetzt werden können. Sie sollten wesentlich zur Finanzierung von Personal in den Kommunen aufgewendet werden, das sich gezielt über Arbeitsplatzanbahnung und Qualifizierung „auf den Job“ für die Beschäftigung Langzeitarbeitsloser insgesamt einsetzt.
7. Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen
Abschließend möchte ich den Einsatz unseres gesamten Landtages für Verbesserungen in der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen im neuen Bundesteilhabegesetz würdigen. Es sieht so aus, dass wir insbesondere beim Behinderungsbegriff, bei der Gleichrangigkeit von Pflegeversicherungsleistungen und Eingliederungshilfe und zum Teil auch bei der Vorrangigkeit der Eingliederungshilfe vor der Hilfe zur Pflege Erfolg haben werden. Was nicht gelungen ist, ist die künftige Einbeziehung von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf in die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM). Das bleibt der nächsten Reform vorbehalten.Ich danke dem Sozialministerium vielmals für die gute Begleitung der Haushaltsberatungen. Den übrigen Fraktionen danke ich für das kollegiale Miteinander bei allen unterschiedlichen Standpunkten.