Rede der CDU-Landtagsabgeordneten Karin Bertholdes-Sandrock zu TOP 15 „Von Yad Vashem lernen – Gedenkstätten in Niedersachsen zukunftsfest aufstellen!“

– Es gilt das gesprochene Wort! –

Wir begrüßen unseren gemeinsamen Antrag und danken allen Fraktionen für ihre konstruktive Mitarbeit.

Am Anfang stand unser Antrag „Von Yad Vashem lernen – Gedenkstättenarbeit in Niedersachsen zukunftsfest aufstellen“. Die CDU-Landtagsfraktion war nämlich im April 2015 in Israel und sehr beeindruckt von Yad Vashem in Jerusalem und seiner dort integrierten „International School for Holocaust Studies“, in der für Multiplikatoren aus aller Welt, vor allem Lehrkräfte, Austausch und Fortbildung zum Holocaust und seiner Vermittlung stattfinden.

Das wollten wir für unsere niedersächsische Gedenkstättenarbeit nutzen, die uns sehr am Herzen liegt. Hier wird nämlich in vielfältigen Angeboten die Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Nationalsozialismus geleistet, die vor allem Schulen gern nutzen. Aber angesichts der Tatsache, dass es immer weniger Zeitzeugen gibt, neue Generationen junger Menschen da sind, für die die Vergangenheit endlos fern ist, und auch die Medienwelt sich revolutioniert hat, werden auch neue Wege in der Gedenkstättenarbeit beschritten.

Da schien uns Yad Vashem ein interessanter Impulsgeber. Nicht umsonst waren schon mehrere Bundesländer dem Vorbild der Kultusministerkonferenz von 2013 gefolgt und hatten Absichtserklärungen für eine Kooperation mit Yad Vashem unterschrieben, wozu es in Niedersachsen auch im Mai 2016 kam.

Der Weg von unserem Antrag zu dem vorliegenden gemeinsamen war lang, die Diskussion nicht immer leicht. Es gab auch gewisse Vorbehalte, was die Rolle Yad Vashems angeht. Deshalb bin ich den Regierungsfraktionen außerordentlich dankbar, dass sie Yad Vashem als renommiertes, weltweit größtes Zentrum für Dokumentation und Forschung zur Shoa anerkennen und ebenso die Bedeutung der International School for Holocaust Studies. So habe ich im Übrigen auch die Ministerin bei der Unterzeichung der Absichtserklärung verstanden.

Natürlich ist Yad Vashem auch Teil des kollektiven identitätsstiftenden Gedächtnisses in Israel. Doch auch dort geht man bei der Vermittlung des Erinnerns methodisch längst über die Betrachtung von Millionen Opfern hinaus – eine Zahl, die zwar zeigt, wie schrecklich und unfassbar das Vergangene ist –, aber für die Vermittlung an die gegenwärtige Generation nicht mehr genügend wirkt – im Gegensatz zu einer Betrachtung des Einzelschicksals, die zeigt, wie jedes Individuum durch den Holocaust zerstört wurde, auch wenn es überlebte.

Solche methodisch-didaktischen Ansätze verbinden wie auch der Perspektivwechsel von den Opfern zu den Tätern, Mittätern, Mitläufern, Zuschauern und Wegschauenden, die alle zusammen erst die Perfektion der Grausamkeit ermöglichten. Da wird ein Austausch spannend sein.

Unsere Gedenkstätten leisten hier schon sehr viel. Sie weiten ihr inhaltliches Spektrum auf die verschiedenen Opfergruppen hin aus: Roma und Sinti, Homosexuelle und andere. Sie öffnen sich neuen Kooperationspartnern, sprechen neue Zielgruppen über Schüler hinaus an. Selbst unter den gegenwärtigen jungen Leuten gibt es ja Antisemitismus, nicht zuletzt in unserer Zuwanderergesellschaft. Auch da stehen wir vor neuen Herausforderungen, für die wir die niedersächsische Gedenkstättenarbeit brauchen.

Auch haben unsere Gedenkstätten längst neue Formate entwickelt. Der zweistündige Besuch ist nicht mehr das einzige und für Ganztags- oder mehrtägige Veranstaltungen braucht man natürlich mehr Personal und mehr Geld. Wir wollen auch, dass die Fahrten zu den Gedenkstätten für Schüler finanziell ähnlich unproblematisch sind wie zum Landtag und begrüßen nun die Einigung von 50.000 auf 100.000 Euro in 2017 und 150.000 in 2018, wobei wir die konkrete Aufteilung den Gedenkstätten überlassen wollen. Doch sollen in Zukunft zusätzlich auch bauliche Sanierungen und Erweiterungen vorgenommen werden im Zuge der Weiterentwicklung. Mit diesem gemeinsamen Antrag wollen alle Fraktionen die Leistung der niedersächsischen Gedenkstätten anerkennen und ihren Wert für die Zukunft sehen.

Die Erinnerungsarbeit hatte erst die Opfer im Blick, dann die Täter und die Schuldfrage. Und für die Zukunft wird die Frage nach der Verantwortung wichtig. Max Frisch sagt: „Die Würde des Menschen besteht in der Wahl“, das heißt die Menschen können entscheiden, wie sie handeln, haben damit Verantwortung für ihr Tun und damit das mögliche Maß an Würde oder Schuld. Diese Haltung zu vermitteln ist für das Zusammenleben der einzelnen Menschen ebenso wichtig wie für die Zukunft der Völker und Staaten. Nicht zuletzt dafür brauchen wir die niedersächsischen Gedenkstätten.

Yad Vashem hat das Motto „Remembering the Past, Shaping the Future“ – indem wir uns an die Vergangenheit erinnern, gestalten wir die Zukunft. Hier laufen die Fäden wieder zusammen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen der Arbeit in Yad Vashem und unseren niedersächsischen Gedenkstätten.

veröffentlicht am 18.08.2016