Erwiderung des Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, Björn Thümler, auf die Regierungserklärung „Sicherheit durch innere Stärke“
– Es gilt das gesprochene Wort! –
So viel Selbstgerechtigkeit und so wenig Selbstkritik aus dem Munde eines Niedersächsischen Ministerpräsidenten gab es selten! So wenig Zukunftsperspektive und so wenig Orientierung waren in Ihren Ausführungen, dass man die Sinnhaftigkeit dieser Unterrichtung ernsthaft anzweifeln muss!
Frei nach dem Motto: Die Welt um uns herum mag sich grundlegend geändert haben. Die Zeiten mögen unruhiger geworden sein. Aber was interessiert uns schon die Welt drum herum!
Solche Reden, Herr Weil, können Sie vielleicht auf Wahlkreiskonferenzen der SPD halten. Mit der politischen Wirklichkeit in Niedersachsen hat das aber nichts zu tun! Man könnte als Fazit dieser Regierungserklärung auch sagen: Thema verfehlt. Und das beginnt schon bei der von Ihnen gewählten Überschrift „Sicherheit durch innere Stärke.“
Ich frage mich, Herr Weil:
An welcher Stelle hat Ihre Landesregierung in den letzten Monaten denn „innere Stärke“ demonstriert? Den Bereich der Inneren Sicherheit jedenfalls können Sie damit schwerlich gemeint haben!
Ein starker Staat garantiert einen wirksamen Schutz vor Kriminellen. Ein starker Staat verfolgt kriminelle Straftäter mit größter Entschlossenheit.
Was wir demgegenüber in Niedersachsen erleben, das ist eine Art von „Laissez-faire-Politik“, wo der Staat in letzter Konsequenz vor den Straftätern und Verfassungsfeinden kapituliert. Man kann es ja diesen Menschen auch nicht zumuten!
Kein demokratischer Staat kann hundertprozentige Sicherheit gewährleisten. Gleichwohl können wir durch bessere personelle und materielle Ausstattung der Polizei das Sicherheitsgefühl stärken. Wir können durch eine Stärkung der Sicherheitskräfte auch potentielle Täter abschrecken.
Durch entsprechende gesetzliche Instrumente kann man zudem die Handlungsfähigkeit von Polizei und auch Verfassungsschutz stärken. Sie aber tun in Niedersachsen genau das Gegenteil.
Wir werden heute Nachmittag den Entwurf eines Polizeigesetzes in erster Lesung beraten. Dieses Gesetz wird die Befugnisse der Polizei in vielen Punkten beschneiden. Es ist ein weiterer Misstrauensbeweis gegen die Polizeibeamtinnen und -Beamten!
Diese Gesetzesnovelle wirkt, wie es Klaus Wallbaum im „Rundblick“ zutreffend kommentiert hat, wie aus einer anderen Zeit. Und da sprechen Sie, Herr Weil, in Ihrer Regierungserklärung allen Ernstes von „innerer Stärke“?!
Seit Beginn Ihrer Regierungszeit wird die wichtige Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz unnötig erschwert:
- Einrichtung einer Beschwerdestelle,
- wiederholte Forderungen nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten,
- Anträge der Koalitionsfraktionen mit Diskriminierungsvorwürfen gegen die Polizei usw.
Diese Misstrauenskultur gegenüber den Sicherheitsbehörden ist vor allem dem grünen Koalitionspartner geschuldet. Aber anstatt sich schützend vor seine Polizeibeamten zu stellen, schweigt der Innenminister immer wieder.
Und als ob das noch nicht genug wäre, sollen nach Vorstellung der Grünen Niedersachsens Polizisten künftig bei Demonstrationen nicht nur auf ihre Pferde und Hunde, sondern offenbar auch auf den Einsatz von Pfefferspray verzichten.
Deutlicher kann man die gute Arbeit der Polizei öffentlich kaum diskreditieren!
In der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ erschien gestern ein Besorgnis erregender Bericht über die eskalierende Gewalt zwischen Links- und Rechtsextremisten in Göttingen. Die Aktionen der linksextremen Szene werden von Monat zu Monat brutaler. Die Linksextremisten agieren immer hemmungsloser. Sie wissen ganz genau, dass ihnen der Rechtsstaat immer weniger entgegensetzt.
Daran etwas zu ändern, liegt auch in der Verantwortung der Landesregierung. Ich sehe vor allem die beiden Ressortminister für Polizei und Justiz in der Pflicht. Sie nehmen diese Verantwortung leider bis heute nicht wahr!
Und da reden Sie, Herr Weil, von „innerer Stärke“? Das muss der wachsenden Zahl besorgter Bürger in Göttingen wie blanker Hohn erscheinen!
Der Leiter der Göttinger Polizei hat in den letzten Wochen mehrfach öffentliche Hilferufe abgesetzt. Aber niemand von SPD und Grünen wollte ihm öffentlich beispringen. Auch nicht der Innenminister, der ansonsten an keinem Mikrofon vorbeigeht.
Wie Sie mit der politisch motivierten Gewalt in Göttingen umgehen, das ist ein Trauerspiel. Sie lassen die Polizeikräfte im Regen stehen. Und das linke Lager in Göttingen bis tief in die Grüne Jugend hinein empfindet dabei mehr als klammheimliche Freude!
Mit Verschweigen oder Kleinreden kommen wir hier nicht weiter. In Göttingen ist konsequentes Handeln gefordert. Ansonsten gibt sich der Rechtsstaat der Lächerlichkeit preis!
Die Zahl der Wohnungseinbrüche in Niedersachsen ist im letzten Jahr überdurchschnittlich gestiegen. Über 13 Prozent! Und was tut der Innenminister: Er empfiehlt allen Ernstes, dass Hausbesitzer sich am besten selbst gegen Einbrüche schützen könnten.
Herr Pistorius ist damit nur noch bedingt auf Parteilinie. Bislang hat die SPD nämlich stets propagiert, dass sich nur reiche Leute einen armen Staat leisten können! Ein weiteres Beispiel: In den letzten Jahren haben sich Wolfsburg und Hildesheim zu bundesweiten Hochburgen gewaltbereiter Islamisten entwickelt.
Die DITIB-Moschee in Wolfsburg etwa galt schon vor Jahren als Treffpunkt radikaler Salafisten. Nur kontrolliert wurde dieser Treffpunkt von den Sicherheitsbehörden nicht. Das war auch eine direkte Folge des von Rot-Grün verordneten Ermittlungsverbots im Umfeld von Moscheen.
Auch deshalb haben wir im Mai einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingerichtet: Um zu überprüfen, welche Sicherheitslücken in der Abwehr islamistischer Bedrohungen in Niedersachsen bestehen.
Und wenn es noch eines weiteren Beweises bedurft hätte, dass dieser Ausschuss richtig und notwendig ist, dann hat die heutige Berichterstattung in der „Neuen Presse“ diesen Beweis geliefert. Ich kündige für die CDU-Fraktion schon jetzt an, dass wir hierzu eine unverzügliche Unterrichtung der Landesregierung im Innenausschuss gleich in der Mittagspause erwarten!
Wer seine Sicherheitsbehörden derart im Regen stehen lässt, wie es dieser Innenminister offenbar tut, der muss sich am Ende nicht wundern, wenn Polizei und Verfassungsschutz ihre ordnungsgemäßen Aufgaben nicht mehr ausreichend wahrnehmen können!
Aus unserer Sicht ist es höchste Zeit, gegenzusteuern. Es ist notwendig, unseren Sicherheitskräften alles Notwendige an die Hand zu geben!
Dazu gehört
- die Polizei endlich mit Waffen, persönlicher Schutzausstattung und Fahrzeugen auszustatten, die geeignet sind, auf Anschläge nach dem Muster von Paris oder Bombay zu reagieren,
- gemeinsam mit der Bundeswehr Vorbereitungen zum Einsatz von Bundeswehreinheiten, wie Feldjägern, im Wege der Amtshilfe bei Terroranschlägen zu treffen,
- kurzfristig eine Evaluation des Polizeirechts zur verbesserten Terrorabwehr durchzuführen,
- kurzfristig ein Handlungskonzept zur Bekämpfung des Islamismus einschließlich eines Landesprogramms zur Islamismusprävention vorzulegen,
- einen Gesetzentwurf zum Ausbau der Videoüberwachung auf zentralen öffentlichen Plätzen und in Bussen und Bahnen vorzulegen,
- endlich zusätzliche Maßnahmen zur Bekämpfung der steigenden Einbruchskriminalität zu ergreifen,
- islamistische Moscheen und Versammlungsstellen eng zu überwachen,
- ein Personalentwicklungskonzept für die Polizei und den Verfassungsschutz
einschließlich der Schaffung von mindestens 1 000 zusätzlichen Stellen aufzulegen, zusätzlich 200 Stellen für den Verwaltungsdienst.
- die sogenannte Beschwerdestelle im Innenministerium aufzulösen, weil sie die Arbeit der Polizeiarbeit einem Generalverdacht aussetzt und niemandem hilft und
- Bürokratie abzubauen und nicht aufzubauen, damit die Polizistinnen und Polizisten nicht von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten werden.
Wir können auch bei uns in Niedersachsen nicht alles so lassen, wie es ist. Dazu ist die Bedrohung zu real. Niemand kann absolute Sicherheit garantieren. Aber das uns Mögliche müssen wir tun. Das sind wir den Menschen in Niedersachsen schuldig!
Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Es geht um die Verhandlungen zum Islamvertrag.
Wir haben in den letzten Monaten dazu im Plenum manch kontroverse Debatte geführt. Sie, Herr Weil, hätten die Gelegenheit gehabt, hier im Plenum klar Stellung zu beziehen. Das haben Sie bewusst nicht getan. Sie haben vielmehr Ihre Kultusministerin vorgeschickt. Auch das war sicherlich kein Ausdruck „innerer Stärke.“
Wir haben uns als CDU-Fraktion immer klar und eindeutig positioniert. Wir haben klare Bedingungen formuliert. Wir haben auch klar gesagt, was geht und was nicht geht. Sie aber zögern und lavieren bis heute. Wir stehen auch jetzt mit unserer Meinung nicht allein.
Der grüne Bundesvorsitzende Cem Özdemir hat mit Blick auf DITIB von einer „türkischen Pegida“ gesprochen. Es ist ein Vergleich, den ich mir im Übrigen nicht zu Eigen mache.
Aber ich frage Sie, Frau Kollegin Piel: Wie wollen Sie weitere Verhandlungen mit DITIB eigentlich gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen, wenn Ihre eigenen Parteifreunde schon solch schwere Geschütze auffahren?
Im Übrigen sind auch die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz und NRW deutlich auf Abstand gegangen. Die Regierung von Frau Dreyer hat die Verhandlungen mit DITIB über den islamischen Religionsunterricht in Gänze ausgesetzt.
Kein Gutachten dieser Welt kann die angebliche Unabhängigkeit des türkisch-islamischen Verbandes DITIB vom türkischen Staat belegen. Den Nachweis, dass man organisatorisch, ideell und finanziell unabhängig ist vom türkischen Staat, den kann DITIB am Ende nur selbst erbringen: Indem man sich vom Einfluss der türkischen Religionsbehörde dauerhaft befreit!
Herr Weil! Sie haben in Ihrer Regierungserklärung auch Bezug genommen auf die zugespitzte innenpolitische Situation in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch.
In Baden-Württemberg hat die dortige schwarz-grüne Landesregierung die Bitte des türkischen Generalkonsuls abgelehnt, eine Liste mit 30 Einrichtungen der Gülen-Bewegung neu zu bewerten. Ich frage mich, ob die Staatskanzlei in Hannover auch so konsequent verfährt!
In der gestrigen Ausgabe des „Rundblick“ war zu lesen, dass die Staatskanzlei alle Ministerien aufgefordert habe, Fakten über die Gülen-Bewegung in Niedersachsen zusammenzutragen.
Ich frage mich: Zu welchem Zweck wird hier gesammelt? Wem nützt so etwas? Und wäre das nicht eigentliche eine Aufgabe des polizeilichen Staatsschutzes und des Verfassungsschutzes?! Was ist, wenn diese Datensammlung in falsche Hände gerät? Wir sehen hier durchaus noch Aufklärungsbedarf!
Boykottanrufe sind aus unserer Sicht ein absolutes „No Go“. Bewusste Ausgrenzung von Menschen aus Gründen der Nationalität und Gesinnung, die darf es in Deutschland niemals mehr geben!
Das Schuljahr in Niedersachsen ist erst wenige Wochen alt. Aber die Stimmung an den Schulen ist schon jetzt auf einem neuen Tiefpunkt angelangt. Das hat weniger mit der Einstellung der Lehrer zu tun. Im Gegenteil. Die Lehrerinnen und Lehrer machen einen tollen Job unter erschwerten Bedingungen!
Was zu Recht alle aufregt, das ist die katastrophal schlechte Unterrichtsversorgung. Die schlechteste seit 15 Jahren. Und dafür trägt allein die Kultusministerin die Verantwortung. Sie hat den Lehrermangel in Niedersachsen selbst provoziert. Sie hat alles getan, um den Lehrerberuf unattraktiv zu machen!
Das Bild, was Frau Heiligenstadt seit Jahren abgibt, ist ein Bild der Schwäche. Nichts an der Politik im Bildungsbereich hat etwas mit „innerer Stärke“ zu tun!
Stärke in der Schulpolitik – das heißt aus unserer Sicht
- Endlich den jahrelangen Streit mit Lehrkräften zu beenden. Wir brauchen endlich eine unabhängige Erhebung der Arbeitszeit der Lehrkräfte UND eine schnelle Umsetzung von Entlastungen, die keine Lehrerstunden kosten, zum Beispiel mehr Verwaltungsunterstützung für kleine Grundschulen.
- Um die katastrophale Unterrichtsversorgung an den berufsbildenden Schulen zu verbessern, müssen diese endlich wieder die Hoheit über die Stellenbewirtschaftung bei den Lehrerstellen übernehmen. Wir brauchen ein Modell, das die Steuerung vor Ort ermöglicht!
- Ebenso notwendig ist eine Anschlusslösung für die Schulsozialarbeit. Das muss das Kultusministerium endlich ein neues Landeskonzept für die Schulsozialarbeit in Abstimmung mit den Kommunen vorlegen. Bewährte Konzepte vor Ort müssen unter Einbindung der freien Träger und des bisherigen Personals weitergeführt werden können!
Niedersachsen ist Agrarland Nummer eins. Die Landwirtschaft mit ihrem vor- und nachgelagerten Bereich macht in gewisser Weise auch die wirtschaftliche Stärke unseres Landes aus. Vor diesem Hintergrund hätte ich mir von Ihnen, Herr Weil, hier und heute ein Bekenntnis zu unseren Landwirten gewünscht!
Ich finde es empörend, wenn Kinder aus Bauernfamilien von Schulkameraden geschnitten werden. Es ist auch ein Alarmsignal, wenn sich die Anrufe beim Sorgentelefon für die Landwirte häufen.
Es ist ja kein Zufall, dass immer mehr Landwirte entnervt aufgeben. Ganz wesentlich dazu beigetragen hat Ihr Landwirtschaftsminister. Er lässt keine Gelegenheit aus, die Landwirte an den Pranger zu stellen.
Meine Fraktion sieht diese öffentliche Bloßstellung eines ganzen Berufsstandes mit wachsendem Unbehagen! Die Landwirte leisten täglich Wertvolles für unser Land:
Sie produzieren hochwertige, sichere und bezahlbare Lebensmittel. Sie gehen in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit höchst verantwortungsvoll mit ihren Tieren um. Sie tragen ganz wesentlich auch zur Wertschöpfung im ländlichen Raum bei. Sie sind eine Stütze für uns alle!
Wir dürfen die Bäuerinnen und Bauern nicht im Regen stehen lassen. Sie verdienen unsere Achtung und Anerkennung! Es wäre deshalb auch die Aufgabe der Landespolitik, den landwirtschaftlichen Familienbetrieben endlich wieder verlässliche Rahmenbedingungen zu bieten!
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, die Wertschätzung für die Arbeit unserer Landwirte zurückzugewinnen und auch für die Zukunft zu erhalten!
Für mich und meine Fraktion bleibt nach dieser Regierungserklärung ein ernüchterndes Fazit. Ohne klare Ziele gibt es keine klaren Prioritäten. Ohne Ziele bleibt vieles Zufall. Auch deshalb ist die rot-grüne Politik in Niedersachsen ein stetiger Reparaturbetrieb!
Diese Regierungserklärung hat erneut deutlich gemacht: Niedersachsen ist bei dieser Landesregierung in denkbar schlechten Händen.
Es ist höchste Zeit, dass unser Land zu innerer Stärke, zu einer mutigen Politik zurückkehrt!