Rede Angelika Jahns, zu Top 21 Konzept der Landesregierung zur konsequenten Rückführung von ausreisepflichtigen Menschen aus Niedersachsen aus?“

– Es gilt das gesprochene Wort! –

Mit unserer großen Anfrage zum Thema Rückführung von ausreisepflichtigen Menschen wollen wir wissen, welches Konzept die niedersächsische Landesregierung hierzu hat, beziehungsweise, ob sie das geltende Recht umsetzen wird. Die Antwort der Landesregierung lässt leider viele Fragen dazu offen.
Auf unsere Frage, was die Landesregierung tut, um ausreisepflichtige Menschen konsequent rückzuführen, wird geantwortet: „Menschen, die hier in Deutschland kein Aufenthaltsrecht haben und für die Bleibeperspektiven nicht gegeben sind, müssen das Land verlassen.“ Da könnte man ja meinen, die Landesregierung würde danach handeln und tatsächlich hier auch konsequent abschieben. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn wenn wir die weitere Antwort lesen, müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass das Land Niedersachsen die Kommunen im Regen stehen lässt, statt ihnen zur Seite zu stehen.
Wenn es darum geht, die Kommunen für Aufgaben des Landes in Anspruch zu nehmen, dann ist das Land schnell dabei. Für die Amtshilfe mussten die Kommunen hunderte von Plätzen für Flüchtlinge schnellstens zur Verfügung stellen. Turnhallen wurden in Anspruch genommen, Dorfgemeinschaftshäuser oder auch andere öffentliche Einrichtungen. Weil das Land seiner Verpflichtung zur Unterbringung der Flüchtlinge nicht nachgekommen ist. Umso wichtiger ist es, dass in den Kommunen die Wohnungen und Unterbringungsplätze zur Verfügung gestellt werden können, die frei wären, wenn die Landesregierung konsequent rückführen würde.

Selbst die Landesregierung erklärt hierzu, dass Menschen, die eine freiwillige Ausreise nicht nutzen, zwangsweise zurückgeführt werden müssen. Liegen die Voraussetzungen vor, ist von den Ausländerbehörden die Abschiebung einzuleiten. Hierbei handele es sich um eine zwingende Rechtsfolge, Ermessen der Ausländerbehörden bestehe nicht.
Das ist eine klare Aussage. Aber handelt diese Landesregierung auch danach? Mitnichten. Sie verweist immer wieder auf die freiwillige Ausreise, was wir sogar unterstützen. Aber aus den Zahlen, die sie in der Antwort auf unsere Anfrage vorgelegt haben, ist ersichtlich, dass das bei weitem nicht reicht. Dass sie die weiteren Instrumente zur Rückführung nutzen müssen. Auch um die Kommunen wirklich zu entlasten. Handeln Sie endlich, denn die rechtlichen Voraussetzungen für Rückführungen sind klar und deutlich geregelt.

Die Landesregierung kündigt an, das Land werde weiterhin seinen Beitrag dazu leisten, konsequent abzuschieben, und wo – im Hinblick auf steigende Fallzahlen – nötig, den Abschiebungsvollzug neu justieren. Ich frage die Landesregierung, wie lange wollen sie denn noch warten, die vorhandenen gesetzlichen Regeln anzuwenden? Wenn Sie wissen, dass die Anzahl der Ablehnungen steigen, hätten Sie längst handeln müssen. Sie brauchen keine neue Justierung, sie müssen nur das anwenden, was Sie Herr Ministerpräsident Weil und auch Sie, Herr Innenminister Pistorius im Asylpaket I mit ausgehandelt haben. Aber Sie lassen sich von den Grünen beeinflussen und am Gängelband führen.

Von Seiten der Landesregierung sollen die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um auch bei steigenden Rückführungszahlen reibungslose Abläufe zu gewährleisten. So wird das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport die den Abschiebungsvollzug betreffenden Grunderlasse modifizieren, um die Regelungen an die zwischenzeitlich eingetretenen Gesetzesänderungen anzupassen. Und noch so eine schwammige Antwort: „Weiterhin werden auch bei der Landesaufnahmebehörde die notwendigen Rahmenbedungen geschaffen, um landesseitig die Herausforderungen durch die gestiegenen Zugangszahlen zu bewältigen.“
Es macht mich fassungslos, mit welcher Ignoranz Sie an dieses Thema herangehen. Die Flüchtlingsunterbringung und Reduzierung der Zahlen sind gegenwärtig die wichtigsten Themen und Sie verplempern die Zeit. Liebe Landesregierung, wenn die Kommunen sich so viel Zeit gelassen hätten bei der von Ihnen angeordneten Amtshilfe, hätten Sie noch heute Flüchtlinge auf der Straße sitzen. Sie müssen handeln und endlich aktiv werden.

Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Der Innenminister erklärte vor diesem hohen Haus am 15. Oktober: „Nach Auffassung der Landesregierung ist die konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht von abgelehnten Asylbewerbern ein wichtiger Beitrag, um die gegenwärtigen Herausforderungen zu bewältigen“. Ich betone: Am 15. Oktober 2015. Die gesetzlichen Änderungen wurden den niedersächsischen Ausländerbehörden rechtzeitig am 22. Oktober 2015, also eine Woche nach dem Plenum, mitgeteilt. Gleichzeitig sind die niedersächsischen Regelungen durch die Rückführungserlasse vom 23. September 2014 und vom 29. September 2015 aufgehoben worden. Mit Inkrafttreten der Änderungen des Asylpakets I – Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten, keine Ankündigungen von Abschiebungen mehr oder der Umstellung von Geld- auf Sachleistungen – haben die Länder die Verpflichtung, entsprechend zu handeln. Doch wenn jetzt jemand geglaubt hat, diese Landesregierung würde konsequent an der Umsetzung dieser Regelungen arbeiten, sieht man sich enttäuscht.

Ein halbes Jahr nach diesen verpflichtenden Neuregelungen hat diese Landesregierung noch immer keine neuen Erlasse herausgegeben. In der Antwort ist von der Modifizierung der Grunderlasse die Rede, wir werden anpassen und so weiter. Sechs Monate sind vergangen. Was tut die niedersächsische Landesregierung? Sie ruft nach dem Bund und fordert schnellere Entscheidungen, mehr Personal und so weiter. Das konnten wir gerade gestern wieder hören.

Auf Bundesebene wurden viele unterschiedliche Regelungen wie zum Beispiel die Asylpakete I und II, Einstellungen von zusätzlichen Mitarbeitern für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und so weiter durchgeführt. Diese Landesregierung hat sich ja, wie wir wissen, der Verantwortung auf Bundesebene durch Enthaltung beim Asylpaket I entzogen.

Sie haben also den geringsten Grund, den Bund zu irgendetwas aufzufordern. Doch ich frage Sie, wie gehen sie denn mit den ansteigenden Zahlen von Ablehnungsbescheiden um? Die Sie ja tatsächlich erwarten, weil der Bund seine Maßnahmen konsequent umsetzt. Wieder eine Antwort, die die monatelange Untätigkeit dokumentiert: „Wir werden bei der Landesaufnahmebehörde die notwendigen Maßnahmen schaffen, um landesseitig die Herausforderungen durch die gestiegenen Zugangszahlen zu bewältigen. Zum anderen wird die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen hinreichend ausgestattet und verstärkt, um auch bei einer deutlich gestiegenen Anzahl vollziehbar ausreisepflichtiger Personen die Ausreisepflicht durchsetzen zu können.“

Wieder nur Ankündigungen, keine zeitliche Ansage, wann denn nun konkret entsprechende Aufstockungen zu erwarten sind oder das Niedersachen aktiv wird. Sie wollen zwar zusätzliches Personal einstellen, aber nur 50 Prozent zusätzlich. Gleichzeitig erwarten sie selbst aber eine Verdreifachung der Abschiebungen. Wenn Sie erwarten, dass die Zahlen steigen, dann sollten Sie sich endlich wie andere Länder auch darauf vorbereiten. Denn dass Niedersachsen mit der konsequenten Abschiebung von vollziehbar ausreisepflichtigen Personen im Ländervergleich weit hinten liegt, kann man jeder Statistik entnehmen.

Kommen wir zu diesen Zahlen. In Niedersachsen halten sich zum 31.Januar 2016 insgesamt 18.904 Personen auf, die ausreisepflichtig sind. Allerdings ist bei 14.992 Personen der Vollzug der Abschiebung vorübergehend ausgesetzt. Hier besteht die sogenannte Duldung. Allerdings müssen wir aus der Antwort der Landesregierung zur Kenntnis nehmen, dass bei den verbleibenden 3.912 die Ausreise zum Teil noch nicht vollziehbar ist, also eine genaue Anzahl nicht beziffert werden kann.

Was tut die Landesregierung? Es ist beabsichtigt, aufgrund von Rückmeldungen der Ausländerbehörden regelmäßige Dienstbesprechungen durchzuführen, um die Rückführung reibungslos zu gewährleisten. Dann unterstützen Sie die Kommunen, indem alle gesetzlichen Möglichkeiten zur konsequenten Rückführung genutzt werden.

Es gibt aber noch andere interessante Informationen aus der Antwort zu unserer großen Anfrage über die Asylsituation in Niedersachsen. Ich habe ausgeführt, dass in Niedersachsen 18.904 Personen ausreisepflichtig sind, von denen 14.992 eine Duldung besitzen. Da muss man die Frage stellen, welche Duldungsgründe in dieser Größenordnung vorliegen.

Duldung wegen fehlender Reisedokumente beziehen sich überwiegend auf Menschen aus dem Kosovo und Serbien – nämlich 256 und 276. Duldung aus sonstigen Gründen, wegen richterlicher Anordnung der Aussetzung einer Abschiebung oder bevorstehender Eheschließung mit einem oder einer deutschen Staatsangehörigen oder ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot. Hier kommen die meisten Personen aus Albanien und Afghanistan. Wichtig erscheint uns bei diesen Zahlen, dass die Duldungsgründe regelmäßig überprüft werden, um letztendlich auch weitere Maßnahmen anordnen zu können, wenn der Duldungsgrund entfällt.

Auf die Frage, wie lange sich die geduldeten Ausreisepflichtigen im Durchschnitt bereits in Deutschland aufhalten, legen Sie eine Statistik vor, aus der ersichtlich ist, dass sich die Aufenthaltsdauer von drei Jahren (Stichtag 31. Januar 2016) mit Abstand auf die meisten Personen bezieht, nämlich 9.857.
Bei 14.992 geduldeten Personen eine sehr hohe Zahl, finden Sie nicht? Diese Zahl fällt in Ihre Verantwortung, in Ihre Regierungszeit.
Die Länder, aus denen die meisten ausreisepflichtigen Personen kommen, sind in Niedersachsen immer noch Bosnien-Herzegowina, Albanien, Algerien, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Denken Sie an die Kommunen, die die frei werdenden Unterkünfte dringend brauchen. Setzen Sie hier an und handeln Sie endlich.

Auch bei der Form der Abschiebung gibt es bei dieser Landesregierung Auffälligkeiten. Sind sie zu Beginn der Legislaturperiode angetreten einen Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik vorzunehmen und wollten zum Beispiel keine Nachtabschiebungen mehr vornehmen, mussten Sie hier schnell auf den Boden der Tatsachen zurückkehren. Es gibt Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel den Flugtermin eines Flugzeuges, den auch eine rot-grüne Regierung nicht beeinflussen kann. So mussten Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, es zulassen, dass 2015 716 Abschiebungen zur Nachtzeit erfolgten. Davon erfolgte in 523 Fällen die Abholung während der Winterzeit zwischen 22.00 und 6.00 Uhr und in 193 Fällen während der Sommerzeit zwischen 22.00 und 4.00 Uhr. Das stand zuerst in Ihrer Antwort. Vorhin erst erreichte uns die Nachricht, dass es 542 Fälle wären, die zur Nachtzeit begannen. Eine Begründung liefern sie nicht. Und diese Berichtigung ist daher nicht nachvollziehbar. Liegt die neue Zahl daran, dass bei Ihnen die Nacht schon um 4.00 Uhr morgens vorbei ist? Hier werden wir weiter nachfragen.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch noch darauf hinweisen, dass wir danach gefragt haben, ob Polizisten in Niedersachsen nachts zur Durchsetzung von Abschiebungen Wohnungen betreten dürfen. Sie verweisen in Ihrer Antwort auf die §§ 24 und 25 SOG, wonach bei bestimmten Voraussetzungen Wohnungen betreten und auch durchsucht werden dürfen. Danach dürfen Wohnungen zur Verhütung des Eintritts erheblicher Gefahren jederzeit betreten werden, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort Personen aufhalten, die gegen aufenthaltsrechtliche Strafvorschriften verstoßen. Bei Abschiebungen werden regelmäßig die Voraussetzungen des § 24 Abs.5 Nr. 2 SOG vorliegen.

Deshalb staunt man umso mehr, dass in dem Ausführungserlass unter 4.4 „Betreten von Wohnungen während des Abschiebungsvollzugs“ immer noch steht, dass ein Betretungsrecht nach den §§ 24 und 25 SOG in der Regel bei Abschiebungen nicht gegeben ist, da dies voraussetzt, dass der Eintritt erheblicher Gefahren verhütet wird. Sofern der Zeitpunkt der Abholung in die Nachtzeit fällt, kann die Maßnahme nur durchgeführt werden, wenn sich die Abzuschiebenden zur Verfügung halten.

Das widerspricht sich definitiv und muss dringend korrigiert werden. Die Frage haben wir nämlich nicht von ungefähr aufgenommen, sondern weil dies einer Punkte ist, die die Kommunen an dem Erlass kritisieren.

Ein weiterer Punkt der inkonsequenten Umsetzung der Gesetzesänderungen durch diese Landesregierung sind die, auch nach dem 24.Oktober 2015 angekündigten, Abschiebungstermine. Soweit ein Ausländer oder eine Ausländerin aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben wird, soll die Abschiebung gem. § 59 Aufenthaltsgesetz mindestens eine Woche vorher angekündigt werden. Dies bezog sich auf 14 Personen.

In der Antwort wird darauf hingewiesen, dass trotz des seit dem 24.Oktober 2015 geltenden Ankündigungsverbotes bei 22 Personen eine Ankündigung erfolgte. Die kommunalen Ausländerbehörden seien allerdings rechtzeitig informiert worden. Wir haben ja schon gehört, dass die Informationen an die Kommunen am 22.Oktober 2015, also zwei Tage vor Inkrafttreten, erfolgte. Ziemlich kurzfristig, liebe Landesregierung, oder?

Interessant ist auch, dass vor Inkrafttreten der neuen Regelungen 22 Abschiebungen in der Zeit vom 1. Januar 2015 bis 23. Oktober 2015 durch Dritte verhindert wurden – nach den neuen Bundesregelungen nur noch drei. Daraus erkennt man, dass die Gesetzesänderungen des Bundes wirken und ihr anderslautender Erlass falsch war. Allerdings würde das Land Niedersachsen im Ranking der Bundesländer, die konsequent die Regelungen umsetzen, einen großen Sprung nach vorne machen, wenn Sie endlich die Erlasse zur Rückführung und Durchführung des Härtefallverfahrens an die geänderte Rechtslage anpassen und die Widersprüche zum geltenden Bundesrecht aufheben. Nehmen Sie sich ein Beispiel an der früheren grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg.

Da Sie selbst in Ihrer Antwort auf die Notwendigkeit einer Neufassung des Rückführungserlasses hinweisen, um die Transparenz und Handhabbarkeit für die Kommunen zu verbessern, sollten Sie uns hier und heute sagen können, wann endlich mit dieser Neufassung zu rechnen ist. Dies muss auch für den Erlass zur Durchführung der Härtefallverordnung gelten. Die kommunalen Spitzenverbände und die ihnen angehörenden Kommunalen Ausländerbehörden warten darauf.

Zum Schluss möchte ich auf das laufende Jahr eingehen. Sie rechnen in diesem Jahr mit 3.000 Abschiebungen in Niedersachsen. Ich appelliere an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, sich nicht länger den rechtlichen Verpflichtungen zu entziehen, sondern sie konsequent umzusetzen. Beobachten allein reicht nicht aus. Unterstützen Sie die Kommunen und sorgen Sie dafür, dass auch die niedersächsische Bevölkerung erkennen kann, dass diese Landesregierung sich an Recht und Gesetz hält und nicht laufend verzögert und abwartet. Hierzu gehört auch, dass Sie die Asylbewerber, die nur geringe Aussichten auf Bleiberecht haben, in der Landesaufnahmebehörde oder den Erstaufnahmeeinrichtungen lassen und gar nicht erst auf die Kommunen verteilen. Damit würden Sie ein Zeichen setzen und das geltende Recht umsetzen.

veröffentlicht am 14.04.2016